Konjunktur

Ifo kappt wegen Engpässen Wachstums­prognose

Die anhaltenden Lieferengpässe bremsen die deutsche Wirtschaft stärker als bislang erwartet. Das Ifo-Institut hat daher seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr gesenkt. Mittelfristig dämpfen demografische Faktoren.

Ifo kappt wegen Engpässen Wachstums­prognose

ba Frankfurt

Die anhaltenden Lieferengpässe bremsen die deutsche Wirtschaft stärker als bislang erwartet. Das Ifo-Institut hat daher seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr gesenkt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll um 3,3% zulegen statt der noch im März bei der vorherigen Prognose vorausgesagten 3,7%. Kurzfristig würden „vor allem die Engpässe bei der Lieferung von Vorprodukten“ belasten, erläuterte Timo Wollmershäuser, Leiter der Ifo-Prognosen. Die Münchener Wirtschaftsforscher sind damit etwas pessimistischer als etwa die Bundesbank, die ein Plus von 3,7% veranschlagt oder die Bundesregierung – Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hält gar ein Wachstum von bis zu 4,0% für möglich.

Wollmershäuser erwartet aber weiter eine kräftige, durch die Lockerungen ausgelöste Erholung – doch diese „verschiebt sich etwas weiter nach hinten“. So wurde die Prognose für kommendes Jahr um 1,1 Prozentpunkte auf 4,3% angehoben (siehe Tabelle). Dass beispielsweise die Bundesbank mit +5,2% auch hier ein deutlich höhere Dynamik veranschlagt, liegt an der unterschiedlichen Erwartung an den privaten Konsum, der als tragende Säule des Aufschwungs gesehen wird: Während die Bundesbank davon ausgeht, dass etwa ein Viertel der unfreiwilligen pandemiebedingten Ersparnisse in zusätzlichen Konsum fließen, geht das Ifo lediglich von einer Normalisierung der Ausgaben aus. Die Sparquote, die vorübergehend auf knapp über 20% gestiegen sei, werde bis Ende 2021 auf das Vorkrisenniveau von 11% zurückgehen. Unter der Annahme, dass die Wirtschaft in den Jahren 2020 bis 2022 durchschnittlich um 1,2% jährlich gewachsen wäre, beziffert das Ifo-Institut die Kosten der Coronakrise in diesem Zeitraum auf 382 Mrd. Euro.

Bis Mitte der 2020er Jahre wird sich das Wachstumstempo wieder verlangsamen, auf dann etwa 0,7% pro Jahr im Schnitt. Die ist demografisch bedingt, denn „in den nächsten Jahren werden wir sehr viele Abgänge aus dem Arbeitsleben sehen“, erläuterte Wollmershäuser mit Blick auf die kurz vor der Pensionierung stehende Babyboomer-Generation. Ifo-Präsident Clemens Fuest mahnte daher eine Stärkung des Erwerbspersonenpotenzials an: „Dafür brauchen wir eine kluge Zuwanderungspolitik für Fachkräfte, aber auch eine Mobilisierungspolitik der heimischen Potenziale, also Bildungspolitik und ein Steuer- und Transfersystem, das beschäftigungsfreundlich ist.“

Notwendig seien auch ein Steuer- und Transfersystem, das investitionsfreundlich sei sowie staatliche Investitionen von hoher Qualität. Vor einer Vermögensteuer oder höheren Einkommen- und Erbschaftsteuern warnte Fuest, denn sie würden private Investitionen sehr erschweren. „Deutschlands Zukunft hängt letztlich von der Entwicklung der privaten Investitionen ab“, mahnte Fuest. Nur so könne das nötige Wachstum erreicht werden.

In diesem Jahr bleibt die Staatskasse noch in tiefroten Zahlen: Das Finanzierungsloch weite sich von 149,2 Mrd. Euro auf 150,4 Mrd. Euro aus, bevor es 2022 auf 49,6 Mrd. Euro zurückgehe. „Das hängt aber ab vom Wahlergebnis“, heißt es beim Ifo.

Für den Handel zeigten sich die Münchner Wirtschaftsforscher optimistisch: Der weltweite Warenhandel werde in diesem Jahr wohl um 11,0% und 2022 um 2,3% expandieren. Der deutsche Außenhandel werde deutlich zulegen, wobei die Importe in diesem und im kommenden Jahr kräftiger als die Exporte wachsen sollen. Daher schrumpfe der viel kritisierte Überschuss der deutschen Leistungsbilanz, so dass dieser 2021 „erstmals seit Jahren unter der Marke von 6,0% liegt, die die EU für kritisch hält“.

Eckwerte der Prognosen für Deutschland
IfoBundesbank
20202021202220212022
BIP (preis-, nicht kalenderbereinigt)–4,83,34,33,75,2
Arbeitslosenquote5,75,85,25,85,2
Inflationsrate0,52,61,91,81,7
Finanzierungssaldo des Staates*–4,2–4,3–1,3k.A. k.A.
Leistungsbilanzsaldo*7,25,84,96,76,2
*) in % des BIPBörsen-Zeitung