Im Machtvakuum
Am Montag hat sich Argentiniens Talfahrt fortgesetzt. Während in Buenos Aires die Börse wegen eines Feiertages geschlossen blieb, fielen nach dem Rücktritt des orthodoxen Finanzministers Nicolás Dujovne die argentinischen Titel an Wall Street um 12 %. Die Lage ist extrem heikel: In Buenos Aires kann ein Run aus dem Peso und ein Abfluss der Dollar-Einlagen unmittelbar starten. Das größte Risiko liegt derzeit in dem Machtvakuum nach den “allgemeinen und verbindlichen Vorwahlen” am 11. August. Dort siegte mit fast 16 % Vorsprung das Oppositionsbündnis “Front aus allen” mit dem Kandidaten-Team Alberto Fernández und Ex-Präsidentin Cristina Kirchner.Bei diesen Vorwahlen sollten alle Bürger über die Zusammensetzung der Wahlbündnisse befinden. Obwohl dieses Verfahren sein erklärtes Ziel niemals erfüllte, wurde es beibehalten, weil es allen Parteien als steuerfinanzierte nationale Umfrage sehr gelegen kam. Diese Nachlässigkeit muss nun das ganze Land teuer bezahlen. Denn das ebenso deutliche wie überraschende Resultat ließ am 11. August die Finanzmärkte abstürzen. Binnen eines Tages reduzierte sich das gesamte Vermögen Argentiniens um mehr als ein Drittel.Der Sieger dieses ruinösen Votums genießt nun weltweites Scheinwerferlicht. In- und ausländische Investoren und Medienvertreter wollen Fernández` Strategie und sein Wirtschaftsteam kennenlernen und versuchen herauszufinden, wie massiv allfällige Eingriffe in das Finanzsystem ausfallen könnten. Argentiniens Leitartikler flehten Fernández an, die Märkte zu beruhigen, was dieser mit ein paar Statements auch ansatzweise versuchte. Aber gleichzeitig verwies Fernández – zu Recht – darauf, weiterhin keine andere Funktion zu besitzen als die eines aussichtsreichen Kandidaten vor den Präsidentschaftswahlen am 27. Oktober. Dort wolle er seine Mehrheit von fast 48 % ausbauen. Die Regierung, die führe doch ein anderer.Das stimmt formal, aber faktisch gibt es ein Problem: Mauricio Macri hat noch seinen Schreibtisch im Präsidentenpalast, aber die Macht ist verdampft, nach dem Rückschlag an den Wahlurnen und seinen kopflosen Trotzreaktionen darauf. Der Präsident soll nun sein Land beruhigen, will aber gleichzeitig Wahlkampf betreiben, um in zehn Wochen doch noch eine Chance auf den Einzug in die Stichwahl zu bekommen. Ein langer und extrem schmaler Pfad ist das, übersät mit Fußangeln und Schlaglöchern. Macris bisherige Trittsicherheit gibt keinen Anlass zur Beruhigung.