Industrie beendet 2023 mit erneutem Produktionsminus
2023 endet mit Produktionsminus
Deutsche Industrie schränkt Fertigung stärker ein als erwartet – allen voran die energieintensiven Industrien
Die deutsche Industrie hat im Dezember wie auch im Gesamtjahr 2023 die Produktion gedrosselt. Vor allem die energieintensiven Industrien haben weniger gefertigt. Allein die Autoindustrie konnte sich dem Trend widersetzen. Die Negativserie dürfte sich in den kommenden Monaten fortsetzen.
ba Frankfurt
Das Jahr 2023 endet für die deutsche Industrie unerfreulich: Im Dezember ist die Produktion unerwartet kräftig eingeschränkt worden, allen voran in den energieintensiven Industrien. Und auch im Gesamtjahr wurde deutlich weniger hergestellt als zuvor. Zudem signalisiert der nunmehr seit zwei Jahren währende Abwärtstrend der Auftragseingänge, dass die Produktion auch in den kommenden Monaten nicht wieder anspringen dürfte. In Verbindung mit den gleichermaßen rückläufigen Im- und Exporten erwarten Experten zunehmend, dass die deutsche Wirtschaft zum Jahresende stärker geschrumpft, ist als bislang mit −0,3% geschätzt. Und auch im ersten Quartal dürfte sich die Talfahrt fortsetzen.
Negativserie setzt sich fort
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) haben Industrie, Bau und Energieversorger den Ausstoß im Dezember preis-, saison- und kalenderbereinigt um1,6% zum Vormonat gedrosselt. Dies war das stärkste Monatsminus seit März 2023, als −2,4% gemessen worden waren. Ökonomen hatten zwar den vierten Rückgang in Folge erwartet, allerdings nur ein Minus von 0,4% auf der Rechnung gehabt. Im November war die Produktionseinschränkung mit 0,2% allerdings weniger scharf ausgefallen als mit −0,7% zunächst gemeldet. Die Negativserie aus Rückgängen und Stagnation währt nun seit Mai 2023. Ähnliches hatten die Statistiker zuletzt während der globalen Finanzkrise 2008 verzeichnet. 2023 war der Output um kalenderbereinigt 1,5% zum Vorjahr gesunken. „Die deutlichsten Rückgänge waren dabei in den energieintensiven Industriezweigen sowie der Energieerzeugung zu verzeichnen“, erklärten die Wiesbadener Statistiker.
Trendwende außer Sicht
Der Rückgang von 1,8% im vierten Quartal zum Vorquartal ist für Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen ein wichtiger Grund für das Schrumpfen der deutschen Wirtschaft – und auch „der Blick nach vorne verheißt nicht viel Gutes“. Nachdem die Lage der Weihnachtsferien die Produktionsdaten beeinflusst haben dürfte, könnte im Januar eine Gegenbewegung kommen. Am Abwärtstrend der Produktion ändere dies aber nichts. „Eine Trendwende zeichnet sich noch nicht ab, auch wenn sich das Ifo-Geschäftsklima für das verarbeitende Gewerbe zuletzt stabilisierte“, analysiert auch das Bundeswirtschaftsministerium. Erst im weiteren Jahresverlauf dürfte eine binnenwirtschaftlich getragene Erholung einsetzen. „Für ein breitflächiges Anziehen der Produktion bedarf es einer anziehenden Auslandsnachfrage“, betont Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. „Die anekdotische Evidenz aus den Unternehmen zum geplanten Stellenabbau zeigt, dass diese Schwäche jetzt wohl auch den Arbeitsmarkt erreicht“, mahnt zudem LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch.
Die Sorge, die anhaltenden Angriffe der Huthi-Rebellen könnten erneut zu Lieferkettenproblemen wie während der Corona-Pandemie führen, haben sich bislang nicht manifestiert. „Zwar können einzelne Firmen unter Lieferverzögerungen leiden, insgesamt sind aber keine Engpässe bei Vorprodukten oder Konsumgütern zu erwarten“, kommentiert IfW-Experte Julian Hinz zum Kiel Trade Indicator. Dieser zeigt, dass in Hamburg und Bremerhaven, aber auch in Rotterdam und Antwerpen 25% weniger Schiffe anlegten als im Wochendurchschnitt 2023. Gegenwärtig passieren mehr als 80% weniger Container die Meeresstraße zum Roten Meer und den Suezkanal, als eigentlich zu erwarten wären. Die Frachtraten auf dem Wege von China nach Europa, die im Januar auf über 5.000 Dollar je Standardcontainer gestiegen waren, sind seitdem um rund 15% gesunken. Ende 2023 waren es rund 1.500 Dollar. Der Rekordwert von 2022 lag allerdings bei knapp 15.000 Dollar. Die Frachtkosten für Container für den Export nach Asien sind um mehr als das Dreifache gestiegen.
Autoindustrie legt gegen den Trend zu
Im Dezember konnte sich allein die Automobilindustrie (saison- und kalenderbereinigt 4,0 % zum Vormonat) dem Produktionsrückgang widersetzen. Besonders starke Rückgänge gab es in der gewichtigen chemischen Industrie (−7,6%) und im Baugewerbe (−3,4%). In den energieintensiven Industriezweigen insgesamt fiel die Herstellung um 5,8% niedriger aus als im Vormonat. Die Industrie im engeren Sinn fertigte 1,5% weniger. Außerhalb der Industrie legte die Energieerzeugung um 4,1% zu.
Das Bild im Gesamtjahr gleicht dem Dezember-Ergebnis: Während die Industrieproduktion im engeren Sinn um 0,7% sank, fiel sie in der Energieerzeugung um15,0% und im Baugewerbe um 0,8% gegenüber dem Vorjahr. Die energieintensiven Industriezweige schraubten die Fertigung um 10,2% zum Vorjahr zurück. Dazu gehört als größte Branche die chemische Industrie, deren Produktion im Jahresvergleich um 10,6% auf den niedrigsten Wert seit 1995 zurückging. Wegen der gestiegenen Energiekosten war sie schon 2022 stark gesunken.