Konjunktur

Industrie glänzt mit erneutem Auftragsplus

Die starke Binnennachfrage hat im Juni der deutschen Industrie ein unerwartet kräftiges Auftragsplus beschert. Wie der zugleich deutliche Umsatzrückgang zeigt, wird die Produktion wegen der Lieferengpässe allerdings weiter nicht mit den Neubestellungen Schritt halten können.

Industrie glänzt mit erneutem Auftragsplus

ba Frankfurt

Die starke Binnennachfrage hat im Juni der deutschen Industrie ein unerwartet kräftiges Auftragsplus beschert. Die Scharte vom Mai ist damit ausgewetzt. Wie der zugleich deutliche Umsatzrückgang zeigt, wird die Produktion wegen der Lieferengpässe allerdings weiter nicht Schritt halten können mit den Neubestellungen. Ermutigende Signale für die Industrie kommen indes von den sinkenden Kurzarbeiterzahlen und dem historischen Tiefstand bei der Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften, den das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) für Juli meldet. Frühindikatoren ließen zudem auch für August keinen spürbaren Anstieg der Insolvenzzahlen erwarten.

Vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) zufolge sammelte das verarbeitende Gewerbe im Juni 4,1% mehr Neubestellungen als im Vormonat ein (siehe Grafik). Ökonomen hatten gerade einmal mit einem Plus von 1,7% gerechnet. Zudem war der Dämpfer im Mai mit –3,2% nicht ganz so heftig ausgefallen wie zunächst mit – 3,7 % gemeldet. Für die kräftige Entwicklung waren insbesondere Großaufträge verantwortlich – ohne diese volatile Größe stieg das Ordervolumen um 1,7 %, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte. Die Großaufträge spielten insbesondere bei den um 9,6 % gestiegenen Bestellungen aus dem Inland eine Rolle. Als prägend bezeichnete das Bundeswirtschaftsministerium hier die „kräftigen Wachstumsbeiträge in den Bereichen EDV und Optik sowie sonstiger Fahrzeugbau“, wobei aber auch „in den gewichtigen Bereichen Kfz und Maschinenbau“ mehr Aufträge zusammenkamen. Etwas verhaltener habe sich hingegen die Auslandsnachfrage (+ 0,4 %) entwickelt. „Insgesamt setzen die Auftragseingänge damit ihren seit Jahresanfang bestehenden Aufwärtstrend nach kurzer Unterbrechung im Mai weiter fort“, kommentierte das Wirtschaftsministerium.

Dass aus Ländern außerhalb des Euroraums ein Orderrückgang um 0,2% zu verzeichnen war, mahnt für Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, zur Vorsicht: „Die chinesische Administration drückt auf die Kreditbremse, und auch in den USA ebbt der Nach-Corona-Boom ab.“

Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen erwartet, dass der bisherige starke Aufwärtstrend bei den Bestellungen nun in eine Seitwärtsbewegung übergeht. Was aber nichts daran ändere, „dass die Produktion gemessen an der Auftragslage weiter deutliches Aufwärtspotenzial hat“. Destatis berichtet am heutigen Freitag über die Produktionsdaten – erwartet wird im Schnitt ein Plus von 0,4%, nach der Drosselung um 0,3% im Mai. Derzeit schaffen es die Unternehmen wegen des Mangels an Vorprodukten nicht, die rekordhohen Auftragsbestände abzuarbeiten. Das zeige sich auch an der Tendenz steigender Auftragseingänge bei gleichzeitig stagnierenden Umsätzen, wie die Wiesbadener Statistiker betonen. Im Juni ist der Umsatz um 4,1% im Monatsvergleich gefallen, für Mai meldet Destatis ein Minus von revidiert 0,4 (zuvor 0,5)%.

Knapp 64% der Industriebetriebe klagen über Engpässe und Problemen bei Lieferungen von Vorprodukten als Hindernis für ihre Produktion. Erste Auswirkungen macht das Ifo-Institut beim Umfang der Kurzarbeit aus. Insgesamt ist die Zahl der Kurzarbeitenden im Juli aber deutlich gesunken, von 1,39 auf 1,06 Millionen. Das ist laut den Münchner Wirtschaftsforschern die niedrigste Zahl seit Beginn der Coronakrise im Februar 2020. Im Juli 2021 waren noch 3,1% der abhängig Beschäftigten in Kurzarbeit, nach 4,1% im Juni.

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