Produktion sinkt unerwartet

Industrie im Krisenmodus gefangen

Die deutsche Industrie wird bis ins nächste Jahr hinein im Krisenmodus verharren. Neueste Hiobsbotschaft ist die unerwartet gedrosselte Produktion, nachdem auch die Auftragseingänge schwach bleiben und die Unternehmensstimmung mies ist.

Industrie im Krisenmodus gefangen

Industrie im Krisenmodus gefangen

Produktionsrückgang in allen wichtigen Branchen − Weit unter Vor-Corona-Niveau − Konjunktursorgen wachsen

ba Frankfurt

Die deutsche Industrie drosselt im Oktober die Produktion unerwartet, sodass eine Rezession im Winterhalbjahr wahrscheinlicher wird. Nachdem der Auftragseingang mau, die Stimmung schwach und die politische Unsicherheit weiter groß ist, steht eine baldige Trendwende nicht zu erwarten. Die Industrie wird vorerst ein Bremsklotz der hiesigen Wirtschaft bleiben.

Die Gesamtfertigung im produzierenden Gewerbe fiel im Oktober preis-, saison- und kalenderbereinigt um 1,0% zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. Ökonomen hatten hingegen mit einem Zuwachs um 1,0% gerechnet. Allerdings war der Rückgang im September mit 2,0% nicht ganz so ausgeprägt wie zunächst mit −2,5% gemeldet.

Vor-Corona-Niveau weit entfernt

„Die Produktion sinkt auf den niedrigsten Stand seit der Pandemie“, betont DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen. Hohe Kosten, wirtschaftspolitische Ungewissheit, Fachkräftemangel und eine lähmende Bürokratie belasteten die Unternehmen. Im Vergleich zum Niveau vor der Corona-Pandemie beträgt der Rückstand immer noch mehr als 10%, ergänzt ING-Chefökonom Carsten Brzeski. Die Industrie sei das beste Beispiel für die Probleme der gesamten Wirtschaft in den letzten Jahren: „Sie steckt zwischen konjunkturellem und strukturellem Gegenwind fest und muss sich mit der Tatsache abfinden, dass das traditionelle makroökonomische Geschäftsmodell mit billiger Energie und leicht zugänglichen großen Exportmärkten nicht mehr funktioniert.“ Zudem sei wenig positiv, dass die Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe − mit Ausnahme der Lebensmittel- und Bekleidungsproduktion − auf dem niedrigsten Stand seit 2020 bleibt. „Dies ist nicht gerade ein schmeichelhaftes Bild für ein industrielles Kraftzentrum“, so Brzeski.

Im weniger volatilen Dreimonatsvergleich ergibt sich ein Produktionsrückgang von August bis Oktober von 0,4% gegenüber den drei Monaten zuvor. Für den Jahresvergleich melden die Statistiker ein Minus von 4,5%.

Rekordhoher Anteil erneuerbare Energien bei der Stromerzeugung

Maßgeblich war im Oktober die um 8,9% im Monatsvergleich gedrosselte Energieerzeugung. Wobei erneuerbare Energien einen immer größeren Anteil an der Stromerzeugung haben: Im dritten Quartal waren es 63,4% − laut Destatis ein neuer Höchststand für dieses Jahresviertel. Im Vorjahr lag der Anteil noch bei 60,6%.

Maßgebliche Branchen melden einen Rückgang

„Auch der Produktionsrückgang in der Automobilindustrie um 1,9% wirkte sich negativ aus“, erklärten die Wiesbadener Statistiker. Der Maschinenbau meldete ein Minus von 1,1%. Die energieintensiven Industriezweige senken ihren Ausstoß um 0,9% − gerade hier „bestand Hoffnung, dass es in Anbetracht niedrigerer Energiepreise nach oben geht“, betonte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Dazu gehört auch die schwergewichtige chemische Industrie, die den Output um 1,4% zurückfuhr. In der Industrie im engeren Sinne ergibt sich ein Minus von 0,3%. Im kriselnden Baugewerbe stagnierte die Produktion. „Damit befindet sich die Industriekonjunktur weiterhin im Abschwung“, urteilt das Bundeswirtschaftsministerium.

„Ein halbwegs versöhnlicher Jahresabschluss wird damit für die deutsche Wirtschaft insgesamt unwahrscheinlicher“, schreibt LBBW-Ökonom Elmar Völker. „Und wenn man ins nächste Jahr blickt, werden die Aussichten erst einmal nicht besser angesichts eines drohenden Handelskonflikts mit dem wichtigsten Handelspartner USA.“

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