Industrie trotzt den Engpässen
ba Frankfurt
Im Juni fällt die Bilanz der Industrie in den weltweit größten Volkswirtschaften gemischt aus: In Euroland ist die Stimmung auf Rekordhoch, in Japans Großunternehmen hat sie sich aufgehellt, wohingegen die Laune in China, den USA und Großbritannien zurückgegangen ist. In sämtlichen Ländern zeugten die Einkaufsmanagerumfragen von anhaltenden Problemen bei den Lieferketten und steigendem Preisdruck.
Gemessen am Einkaufsmanagerindex (PMI) des Institute for Supply Management (ISM) drosselte die US-Industrie das Wachstumstempo etwas stärker als erwartet. Der Indikator fiel im Monatsvergleich um 0,6 auf 60,6 Punkte. Ökonomen hatten mit 61,0 Punkten gerechnet. Das Barometer, das im März mit 64,7 Punkten den höchsten Stand seit Ende 1983 markiert hatte, liegt nun den 13. Monat in Folge über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Auch wenn die Arbeitsmarktkomponente auf 49,9 Punkte nachgegeben hat, wird über Personalengpässe berichtet. Für Tobias Basse von der Nord/LB ist dies „eher ein Zeichen für eine Stärke – der US-Arbeitsmarkt ist aktuell einfach leer gefegt“. Dafür spricht auch, dass die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe laut US-Arbeitsministerium in der vergangenen Woche deutlich um 51000 auf 364000 im Wochenvergleich gesunken sind. Der vom Analysehaus IHS Markit erhobene PMI für die US-Industrie verharrte auf dem Rekordhoch von 62,1 Zählern. Die Erstschätzung hatte noch einen Anstieg auf 62,6 Zähler ergeben. Dabei legten Produktion und Neuaufträge mit einer der stärksten Raten seit Erhebungsbeginn im Jahr 2007 zu, wie IHS-Markit-Chefökonom Chris Williamson betonte.
In China, der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, trübte sich die Stimmung der kleinen und mittelgroßen Industrieunternehmen ein: Der Caixin/Markit PMI sank um 0,7 auf 51,3 Punkte. Als Ursache benennen Ökonomen, die einen Rückgang auf 51,8 Zähler erwartet hatten, neue Coronafälle in der Exportprovinz Guangdong. Auch der am Mittwoch veröffentlichte offizielle PMI deutet eine langsamere Gangart an: Der Industrieindikator fiel laut Statistikamt im Juni um 0,1 auf 50,9 Zähler. Das Barometer für die Dienstleister gab 1,7 Punkte ab und liegt nun bei 53,5 Punkten.
Von der Stärke der USA und Chinas profitiert vor allem die stark exportorientierte deutsche Industrie. Der entsprechende PMI stieg um 0,7 auf 65,1 Punkte. Nach zwei leichten Rücksetzern habe das Produktionswachstum wieder an Fahrt gewonnen und die Geschäftsaussichten kletterten auf ein neues Rekordhoch – die Daten zeichneten „ein rundum positives Bild der Industrie“, sagte Markit-Experte Phil Smith. Allerdings klagten einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts zufolge rund 92% der Unternehmen über Preissteigerungen bei Material und Vorprodukten. Der PMI für die Euro-Industrie stieg dennoch um 0,3 auf 63,4 Zähler. Die Erstschätzung hatte eine Stagnation auf dem Rekordhoch vom Mai mit 63,1 Punkten ergeben. Der spanische PMI hat im Juni ebenfalls ein Rekordhoch erreicht, wohingegen sich die Stimmung in Italien und Frankreich etwas eingetrübt hat. Der britische Industrie-PMI fiel von einem Rekordhoch im Mai bei 65,6 Zählern auf 63,9 Punkte.
In Japans Großindustrie hat sich die Stimmung das vierte Quartal in Folge aufgehellt. Der Quartalsumfrage der japanischen Notenbank unter rund 10000 Unternehmen („Tankan“) zufolge ist der entsprechende Stimmungsindex auf +14 gestiegen. Dies ist der höchste Stand seit Dezember 2018. Positive Werte bedeuten, dass die Optimisten in der Mehrheit sind. Gemessen am PMI von Markit/Jibun Bank trübte sich die Stimmung in der Industrie der weltweit drittgrößten Volkswirtschaft ein: Der Index sank im Juni auf 52,4 nach 53,0 Punkten.