Wirtschaftspolitische Wunschzettel

Industrie und Gewerkschaften warnen vor Stillstand bis zur Bundestagswahl

Industrie und Gewerkschaften haben die Politik aufgerufen, noch vor der Bundestagswahl Maßnahmen zur Strompreissenkung einzuleiten. Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigte entsprechende Gespräche mit der Opposition an.

Industrie und Gewerkschaften warnen vor Stillstand bis zur Bundestagswahl

Wirtschaftspolitische Wunschzettel

Industrie und Gewerkschaften warnen vor Stillstand bis zur Bundestagswahl – Habeck will „größere Antworten“ auf die Krise

Industrie und Gewerkschaften haben die Politik aufgerufen, noch vor der Bundestagswahl Maßnahmen zur Strompreissenkung einzuleiten. Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigte entsprechende Gespräche mit der Opposition an. Er hofft weiterhin, dass noch mehr Entlastungen beschlossen werden können.

ahe Berlin

Angesichts der schwierigen Wirtschaftslage haben die deutsche Industrie und Gewerkschaften die Politik aufgerufen, noch vor der Bundestagswahl weitere Entlastungen für die Unternehmen zu beschließen. Auf einer Industriekonferenz in Berlin nannte BDI-Präsident Siegfried Russwurm insbesondere eine Absenkung der Netzentgelte, degressive Abschreibungsmöglichkeiten und die Ausweitung von Forschungszulagen als notwendige Schritte. Der stellvertretende IG Metall-Vorsitzende Jürgen Kerner forderte ebenfalls, mit kurzfristigen Maßnahmen noch die Strompreise zu senken. Er plädierte zugleich für ein Programm zur Unterstützung der Elektromobilität.

Kerner betonte, man erwarte, sich jetzt auch CDU/CSU ihrer Verantwortung stellten. Die Beschäftigten könnten nicht darauf warten, bis sich Mitte 2025 eine neue Regierung aufgestellt habe. „Kommt raus aus den Schützengräben“, betonte er. Russwurm verwies darauf, dass bei jeder neuen Regierung eine „entschlossene Wachstumspolitik“ Priorität haben müsse. Dennoch müssten einige Maßnahmen sehr schnell beschlossen werden, um nicht in der aktuellen Krise mindestens ein weiteres halbes Jahr zu verlieren, argumentierte ebenfalls der scheidende Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

Wirtschaftsminister Robert Habeck auf der Industriekonferenz in Berlin (Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld).

Wirtschaftsminister Robert Habeck plädierte auf der von seinem Haus organisierten Konferenz, die vor gut 300 Gästen zum siebte Mal stattfand, ebenfalls für kurzfristige Entlastungen bei den Netzentgelten. Dies könne über einen Nachtragshaushalt für 2024 und einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt geschehen, sagte er. Die frei gewordenen Intel-Milliarden könnten hierfür genutzt werden. Der Grünen-Politiker kündigte an, hierzu das Gespräch mit CDU/CSU zu suchen. Die Zeit für einen Beschluss dränge. Die Netzbetreiber brauchten noch 2024 klare Signale aus der Politik.

Kraft der Ampel reichte nicht

Nach Einschätzung von Habeck sollten vor der Wahl weitere Vorhaben noch beschlossen werden: das Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG) sowie einzelne Punkte aus der im Sommer angekündigten Wachstumsinitiative. Der Minister unterstrich, dass künftig „größere Antworten“ zur Ankurbelung der Wirtschaft notwendig seien. Zuletzt sei vieles „zu spät und zu klein“ gedacht worden; die Maßnahmentiefe habe oft nicht gereicht, räumte Habeck selbstkritisch ein. Zu mehr habe aber die politische Kraft in der Ampel nicht gereicht. Nach Einschätzung von Habeck hätte die Ampel-Koalition unter anderem auf den russischen Einmarsch in die Ukraine 2022 schon mit „einem großen Konjunkturpaket“ reagieren müssen.

Scharfe Kritik an Habeck und der Regierung kam von der wirtschaftspolitischen Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Julia Klöckner. Sie sprach von einer desaströsen industriepolitischen Bilanz. „Ankündigungspolitik, Mikromanagement und eine verfehlte Subventionspolitik haben die Krise der Industrie erheblich beschleunigt“, monierte die CDU-Politikerin. Viele Industriearbeiter fürchteten um ihren Arbeitsplatz.

Transformation nicht alleine Schuld an fehlender Wettbewerbsfähigkeit

Der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, verwies hingegen darauf, dass die Probleme in der Industrieproduktion bereits 2017 begonnen haben. Die deutsche Wirtschaft sei dann schlechter aus der Pandemie gekommen als andere Länder und habe zudem einen zweiten China-Schock verkraften müssen, betonte er. Die Transformation sei längst nicht der einzige und wichtigste Grund für die fehlende Wettbewerbsfähigkeit. Schularick plädierte unter anderem für eine massive Förderung von Forschung und Entwicklung sowie eine Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse.

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