Deutsche Konjunktur

Industrieaufträge unerwartet stark gesunken

Entgegen den Einschätzungen der Ökonomen sind die Auftragseingänge bereits im Februar deutlich zurückgefallen. Im März dürfte der Einschnitt noch größer gewesen sein. Steuert die deutsche Wirtschaft auf eine Rezession zu?

Industrieaufträge unerwartet stark gesunken

Die deutsche Industrie hat im Monat des Kriegsausbruchs in der Ukraine einen überraschend starken Auftragsrückgang erlitten. Die Unternehmen sammelten im Februar 2,2% weniger Bestellungen ein als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich mit einem Minus von 0,2% gerechnet. Zuvor waren die Bestellungen drei Monate in Folge gestiegen.

„Der Rückgang der Auftragseingänge im Februar ist in erster Linie vor dem Hintergrund der deutlichen Anstiege der Vormonate zu sehen“, schrieb des Bundeswirtschaftsministerium. „Ein Effekt des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ist in den Daten noch kaum enthalten.“ Der Krieg führe allerdings zu hohen Unsicherheiten bezüglich der weiteren Entwicklung der Nachfrage. Der Ausblick für die nächsten Monate falle daher gedämpft aus.

„Der Rückgang ist insbesondere auf die Auslandsaufträge zurückzuführen“, erklärten die Statistiker die Entwicklung im Februar. Deren Volumen fiel um 3,3% geringer aus als im Januar. Dabei nahm das Neugeschäft außerhalb der Euro-Zone um 3,4% ab, das aus der Währungsunion sank um 3,3%. Die Inlandsaufträge hingegen gingen nur leicht um 0,2% zurück.

„Der Rückgang der Auftragseingänge im Februar kam zwar unerwartet, ist aber kein Drama, weil es im Januar ein kräftiges Plus gegeben hatte. Für die Industrieproduktion kommt es in den kommenden Monaten ohnehin weniger auf die Nachfrage an als auf die Verfügbarkeit von Vorprodukten. Und die hat sich wegen des Ukraine-Kriegs und der rigiden Lockdown-Politik in China wieder verschlechtert“, kommentiert Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank. Deshalb sei die Autoproduktion im März nach Verbandsangaben nach unserer Saisonbereinigung um rund ein Viertel gefallen.

Und Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank, sorgt sich um die mit der Materialknappheit und Stornierungen einhergehenden Wechselwirkungen: „Wir müssen gerade lernen, dass die deutsche Wirtschaft auch mit proppenvollen Auftragsbücher in die Rezession rutschen kann. Die Unternehmen schätzen den weiteren Geschäftsverlauf deutlich schlechter ein. Das zeigt der Ifo-Geschäftsklimaindex. Im gegenwärtigen Umfeld von Krieg, Materialknappheiten und steigenden Zinsen wächst auch das Risiko von Stornierungen von Bestellungen. Dabei könnten die Aussichten für die deutsche Wirtschaft so gut sein.“ Der Krieg in der Ukraine in Kombination mit den Lieferkettenproblemen hätten dem aber einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Viele Industriebetriebe berichten derzeit von zunehmenden Engpässen, die sich nach der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar teils noch verschärft haben: 80,2% klagten im März über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen, wie das Ifo-Institut bei seiner Unternehmensumfrage herausfand. So fehlen den Autobauern die bislang in der Ukraine hergestellten Kabelbäume. 17% der Industriefirmen importieren den Ifo-Angaben zufolge aus Russland, das wegen des Krieges von westlichen Staaten mit harten Sanktionen belegt wurde. „Der konjunkturelle Ausblick sieht sehr trübe aus“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, deshalb kürzlich.

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