Geldpolitik

Inflation facht Zinsdebatte an

Nach dem neuerlichen Inflationsschock rückt die EZB-Ratssitzung näher. Weitere Notenbanker schalten sich in die Kontroverse ein. Und auch unter Beobachtern nehmen die Zins-Spekulationen zu.

Inflation facht Zinsdebatte an

rec Frankfurt

Die Wucht des jüngsten Preisschubs in der Eurozone facht die Debatte über Zinserhöhungen an und schürt entsprechende Erwartungen an die Europäische Zentralbank (EZB). Mehrere Notenbanker meldeten sich mit unterschiedlichen Argumenten zu Wort, kurz bevor die Schweigeperiode mit Blick auf die EZB-Ratssitzung nächste Woche beginnt. Die Volkswirte der Deutschen Bank rechnen mit umfangreichen Zinserhöhungen der EZB bis Dezember 2023. Eine kurzfristige Zinserhöhung könnte dem Wirtschaftsforschungsinstitut DIW zufolge über Wechselkurseffekte die Energiepreise bremsen, allerdings zulasten der Industrie.

Die Inflation im Euroraum ist im März unerwartet stark auf 7,5% gesprungen. Das erhöht den Druck auf die EZB, die Zinswende schneller als bislang avisiert einzuleiten. Die Entwicklung auf den vorgelagerten Stufen zeugt von ungebrochenem Preisdruck: Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte sind im Februar laut Statistikamt Eurostat um den Rekordwert von 31,4% zum Vorjahresmonat gestiegen. Maßgeblich war Energie mit 87,2%. Preise für die in der Produktion wichtigen Vorleistungsgüter legten um fast 21% zu. Der Preisschub dürfte zumindest teilweise auf die Verbraucherpreise durchschlagen.

Eine Reihe nationaler Notenbanker fordert offen baldige Zinserhöhungen. Ihnen schloss sich Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch an: Der Einlagensatz könne bis Ende 2022 auf 0% angehoben werden. Das sei für ihn eigentlich ein Selbstläufer, sagte er belgischen Medien. Der Einlagensatz liegt seit Jahren bei −0,5%. Auch Bundesbankchef Joachim Nagel mahnt zur Eile.

Es gibt aber prominente Gegenstimmen. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane bekräftigte am Mittwoch seine Warnung vor Schnellschüssen. Auch EZB-Direktor Fabio Panetta sprach sich in einer Rede gegen ein zu starkes Einschreiten aus. Das würde das Wirtschaftswachstum abwürgen. Eine solche Straffung der Geldpolitik könne sich zudem nicht direkt auf die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise auswirken.

Panettas Argumentation teilen einige Volkswirte nicht. So sind die Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der Auffassung, dass eine Straffung der Geldpolitik die Energiepreise in Deutschland drücken kann. Heizpreise würden demnach um 2% sinken, Benzin und Diesel um 4%. Grund ist aus ihrer Sicht die durch steigende Zinsen erwartete Euro-Aufwertung. Aber auch sie gehen wie Panetta davon aus, dass dies unerwünschte Nebenwirkungen wie ein Ausbremsen der Industrieproduktion und steigende Arbeitslosenzahlen zur Folge haben könnte.

Die Ökonomen der Deutschen Bank um Chefvolkswirt David Folkerts-Landau rechnen laut aktuellen Prognosen zwischen September dieses Jahres und Dezember 2023 mit EZB-Zinserhöhungen von in Summe 250 Basispunkten (siehe Grafik). Agustín Carstens, Chef der Zentralbank der Zentralbanken BIZ, fordert allgemein eine Neuausrichtung auf höhere Zinsen. Das werde „nicht leicht“, sagte Carstens.