Konjunktur und Geldpolitik

Deutsche Inflation fällt auf 1,6 Prozent

Der Inflationsdruck in Deutschland lässt nach. Im September lag die Teuerung nun bei 1,6%. Viele Unternehmen sehen sich wegen der schlechten Konjunktur nicht in der Lage, die Preise zu erhöhen. Eine Konstellation, die den Pessimismus wohl noch eher verstärkt.

Deutsche Inflation fällt auf 1,6 Prozent

Deutsche Inflation
fällt auf 1,6 Prozent zurück

Deutlich unter EZB-Ziel – Ifo: Stagnation erlaubt Unternehmen kaum Preiserhöhungen

Der Inflationsdruck in Deutschland lässt auch im September deutlich nach, weil sich viele Unternehmen wegen der schlechten Konjunktur offenbar nicht in der Lage sehen, die Preise zu erhöhen, obwohl der Teuerungsdruck aus dem Ausland zunimmt. Eine Konstellation, die den Pessimismus weiter verstärkt.

lz Frankfurt

Die Teuerung hat auch im September nachgelassen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) meldet, sinkt die Inflation auf 1,6% zum Vorjahresmonat; gegenüber dem August stagnierten die Preise. Bezogen auf den für die Europäische Zentralbank (EZB) relevanten europäisch harmonisierten Preisindex (HVPI) fällt die Abschwächung nicht so deutlich aus: Zum Vorjahresmonat verringert sich die Teuerung auf 1,8%, geht aber dafür zum Vormonat um 0,1% zurück.

Damit ist die Inflation auf den niedrigsten Stand seit rund dreieinhalb Jahren gefallen. Im August lag sie nach 2,3% im Juli bereits bei 1,9%. Sie befindet sich damit klar unterhalb der Zwei-Prozent-Schwelle der EZB, auf die die Notenbank hinarbeitet. Geht der Teuerungsdruck auch in den anderen Euroländern in diesem Ausmaß zurück, dürfte die EZB noch mehr Argumente in der Hand bekommen, um die Leitzinsen noch weiter zu senken und damit die Konjunktur anzukurbeln. Allerdings liegt die Inflationsrate ohne Nahrungsmittel und Energie, die oftmals auch als Kerninflation bezeichnet wird und der von der EZB besondere Aufmerksamkeit zugemessen wird, im September weiterhin sehr hoch bei 2,7%.

Preisspielraum eingeengt

„Mit den heutigen Zahlen ist das Inflationsproblem nicht abschließend gelöst“, urteilt denn auch Sebastian Becker, Volkswirt bei der Deutschen Bank. Dazu müsste auch die noch immer erhöhte Kerninflationsrate spürbar zurückgehen. Doch dieser Rückgang stehe bislang noch aus. Und Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, geht ohnehin davon aus, dass die Teuerung wieder zulegt wegen der starken Dynamik bei den Dienstleistungspreisen. Die EZB brauche also „nicht in Zinssenkungspanik verfallen“, rät er.

Ein Grund für die sinkenden Preise dürfte das fehlende Wirtschaftswachstum in Deutschland darstellen, zumal nicht nur die Investitionen ausbleiben, sondern auch die Konsumenten sehr zurückhaltend reagieren. Preiserhöhungen würde in dieser Lage zu noch weniger Umsatz führen, was sich viele Unternehmen nicht mehr leisten können. „Die wirtschaftliche Krise verringert die Spielräume für die Unternehmen“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser bei der Vorlage der Ifo-Preiserwartungen, die aus Umfragedaten gespeist werden. Diese Preiserwartungen sind nach 16,1 auf 13,8 Punkte gefallen, der niedrigste Wert seit Februar 2021. „Damit dürfte die Inflationsrate in Deutschland unter der Zwei-Prozent-Marke bleiben“, erwartet das Ifo-Institut.

Friedrich Heinemann, Ökonom beim ZEW in Mannheim, zeigt sich diesbezüglich besorgt. „Je schlechter die Perspektive für die deutsche Konjunktur, desto besser die Perspektive für die Rückkehr zur Preisstabilität“, sagt er. Bislang seien knappe Arbeitskräfte ein zentrales Argument der Inflationspessimisten gewesen. Der Lohndruck würde ein Absinken der Inflationsrate auf unter 2% verhindern. Das sehe mit dem deutlich abkühlenden Arbeitsmarkt nun anders aus. Die Rezession der Industrie und drohende Entlassungswellen zwängen die Gewerkschaften bei Lohnforderungen zu mehr Bescheidenheit. All das könnte den Druck aus den Inflationsprozessen nehmen. Leider passiere damit genau das, was Zentralbanken eigentlich immer vermeiden wollen: Die Inflation ist nur durch eine harte Landung mit einer deutlichen Verschlechterung am Arbeitsmarkt besiegbar.

Stagnierende Wirtschaft

Die konjunkturelle Lage spitzt sich derweil immer mehr zu. Die Bundesregierung erwartet inzwischen gar kein Wirtschaftswachstum mehr, meldet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Bislang liegt die offizielle Konjunkturprognose für 2024 bei einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 0,3%. Die aktualisierte Schätzung des Wirtschaftsministeriums könne sich bis zur Veröffentlichung am 9. Oktober noch ändern, hieß es. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, vor der Bekanntmachung in der übernächsten Woche werde man sich dazu nicht äußern.

Führende Forschungsinstitute rechnen auch wegen der Politik der Bundesregierung mit dem zweiten Rezessionsjahr in Folge für Deutschland. In ihrem jüngst veröffentlichten Herbstgutachten für die Regierung gehen die Ökonomen sogar davon aus, dass das BIP 2024 um 0,1% sinkt und damit bereits das zweite Mal hintereinander schrumpft.

Einfuhrpreise legen zu

Aber auch wenn die Konjunktur hierzulande darniederliegt, können die Preise weiter steigen und das Realwachstum drücken. Denn vom Ausland her gibt es eine preisliche Gegenbewegung. Die Einfuhrpreise legten im Jahresvergleich um 0,2% zu, melden die Statistiker. Dies ist der dritte Anstieg in Folge, nachdem die Preise zuvor mehr als ein Jahr lang im Jahresvergleich gesunken waren. Analysten hatten den Anstieg im Schnitt erwartet. Im Juli hatte der Preiszuwachs 0,9% betragen und im Juni 0,7%. Im Monatsvergleich gingen die Importpreise im August wie erwartet um 0,4% zurück.

Den größten Einfluss auf die Entwicklung der Einfuhrpreise hatten laut Statistikamt die Konsumgüter, deren Preise um 2,4% zum Vorjahresmonat zulegten. Verteuert haben sich demnach vor allem die Importe der Verbrauchsgüter mit einem Anstieg um 2,7%. Dagegen verbilligten sich die Energieimporte deutlich, um 5,4%. Den größten Einfluss auf die Jahresveränderungsrate für Energie hatten Mineralölerzeugnisse. Die Preise lagen hier im August um 12,8% unter denen von August 2023.

Gaspreise auf hohem Niveau

Die Gaspreise auf Haushaltsebene zeigen demgegenüber eine eher träge Entwicklung. Private Haushalte haben den Wiesbadener Statistikern zufolge im ersten Halbjahr 2024 im Durchschnitt 11,87 Cent je Kilowattstunde Erdgas gezahlt. Damit stiegen die Gaspreise gegenüber dem zweiten Halbjahr 2023 um 4,0%. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 sind sie allerdings um 3,2% niedriger gewesen. Im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2021, dem Vergleichszeitraum vor dem russischen Angriff auf die Ukraine und der sich verstärkenden Energiekrise, lagen die Gaspreise für Haushaltskunden sogar um mehr als zwei Drittel (+73,8%) höher. Strom kostete die Verbraucherinnen und Verbraucher im ersten Halbjahr 2024 durchschnittlich 41,02 Cent je Kilowattstunde, das waren 1,7% weniger als im zweiten Halbjahr 2023 (−3,0% gegenüber dem ersten Halbjahr 2023) und knapp ein Viertel (+24,8%) mehr als im zweiten Halbjahr 2021.

Die Einfuhrpreise haben Einfluss auf die Verbraucherpreise, an denen die EZB ihre Geldpolitik ausrichtet. Weil die Teuerung in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen ist und sich dem Zielwert der EZB von mittelfristig 2% angenähert hat, haben die Währungshüter Anfang Juni die Zinswende vollzogen und die Leitzinsen bis September zweimal seit der großen Inflationswelle gesenkt.