Verbraucherpreise

Inflations­rekord erhöht Druck auf EZB

9,9% statt 10,0%: Die Inflation im Euroraum lag im September marginal niedriger als zunächst geschätzt. Trotzdem bleibt die Lage äußerst ungemütlich – auch für die EZB, die vor einer wegweisenden Sitzung steht.

Inflations­rekord erhöht Druck auf EZB

ms Frankfurt

Anders als zunächst gedacht hat die Inflationsrate im Euroraum im September doch nicht die Marke von 10% geknackt. Das finale Ergebnis von 9,9% bedeutet aber immer noch ein absolutes Re­kordhoch, es liegt trotzdem fast fünf Mal so hoch wie das 2-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) und eine schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Das alles schürt Spekulation auf und Forderungen nach einer weiteren kräftigen EZB-Zinserhöhung nächste Woche. Im EZB-Rat wird indes hart um den weiteren Kurs ge­rungen – wozu auch die sehr eklatanten Inflationsunterschiede zwischen den Ländern beitragen dürften.

Ende September hatte die EU-Statistikbehörde Eurostat gemeldet, dass die Inflationsrate im September von zuvor 9,1% auf 10,0% gesprungen sei. Wegen des Erreichens der Zweistelligkeit hatte das noch größere Aufmerksamkeit gefunden als ohnehin schon in Zeiten großer Inflationssorgen in der Bevölkerung. Am Mittwoch nun revidierte Eurostat seine erste Schätzung um 0,1 Prozentpunkte nach unten.

Die 9,9% sind aber trotzdem bei weitem das höchste Niveau, das seit der Euro-Einführung 1999 erreicht wurde. Zur Erinnerung: Vor dem aktuellen, Anfang 2021 eingesetzten Inflationsschub hatte der Rekord bei 4,1% gelegen – erreicht im Juli 2008. Die EZB definiert eine Inflationsrate von mittelfristig 2% als in Einklang mit ihrem Mandat Preisstabilität.

Mit den jetzt erreichten 9,9% könnte zwar der zyklische Hochpunkt erreicht sein. Ab Oktober sprechen zumindest Energiepreisobergrenzen, negative Basiseffekte und ei­ne Abschwächung der Verbrauchernachfrage für eine sinkende In­flation. Ein rascher Rückgang zeichnet sich indes nicht ab. Zugleich wächst der zugrundeliegende Preisdruck – weil sich die Teuerung zunehmend in der Wirtschaft ausbreitet. Die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel machte im September einen kräftigen Satz von 4,3% auf 4,8%, wie Eurostat bestätigt. Für die nächsten Monate erscheinen weitere Anstiege wahrscheinlich. Damit wächst auch die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale, mit der sich die hohe Inflation weiter verfestigen würde.

Vor dem Hintergrund gehen von Reuters befragte Volkswirte im Mittel davon aus, dass die EZB bei ihrer Sitzung am 27. Oktober den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 2,0% anheben wird. Sie rechnen zudem damit, dass der Einlagensatz – der zurzeit maßgebliche Zins für die Finanzmärkte – dann um ebenfalls 0,75 Punkte auf 1,5% erhöht wird. Die EZB hatte im Juli die Zinswende eingeleitet und im September ihre Leitzinsen gleich um 75 Basispunkte angehoben – so stark wie nie zuvor.

Drängen auf 75 Basispunkte

Aus dem EZB-Rat waren zuletzt verstärkt Forderungen nach einer weiteren Zinserhöhung um 75 Basispunkte gekommen – nicht zuletzt von Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Zugleich gibt es aber auch einige warnende Stimmen. Vor allem Notenbanker aus dem Euro-Süden warnen vor einer Überreaktion. Die Eurozone steht wegen des Ukraine-Kriegs und der dadurch ausgelösten Energiekrise vor einer Rezession.

Zu den teils kontroversen Debatten im EZB-Rat dürfte auch beitragen, dass es weiter eklatante Inflationsunterschiede im Euroraum gibt (siehe Grafik). Laut Eurostat verzeichnen die baltischen Staaten die höchsten Inflationsraten. In Estland etwa liegt die Teuerung aktuell bei 24,1%. Das ist rund vier Mal so viel wie in Frankreich mit 6,2%. Diese Diskrepanzen erschweren auch die einheitliche Geldpolitik, weil da­durch auch der reale Zins, also der nominale Zins abzüglich der Inflation, extrem unterschiedlich ist.

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