Konjunktur

Insolvenzanstieg verlangsamt sich etwas

Knapp ein Viertel mehr Insolvenzfälle und Frühindikatoren deuten einen weiteren Anstieg an: Das konjunkturell maue Umfeld fordert seinen Tribut. Der Immobilienbranche steht ein Transformationsprozess bevor, erwartet der Berufsverband der Insolvenzverwalter VID.

Insolvenzanstieg verlangsamt sich etwas

Insolvenzanstieg verlangsamt sich etwas

Deutlich höhere Forderungen – Berufsverband sieht Transformationsprozess von drei bis fünf Jahren in der Immobilienbranche

ba Frankfurt

Knapp ein Viertel mehr Unternehmen als im Vorjahr haben in den ersten neun Monaten des Jahres vor dem schwachen wirtschaftlichen Umfeld kapituliert und Insolvenz angemeldet. Im September gehörten dazu bekannte Namen wie etwa Real oder Gigaset. Frühindikatoren lassen einen weiteren Anstieg der Fallzahlen vermuten. Experten sehen darin allerdings weiter nicht die lange Zeit befürchtete Pleitewelle anrollen, sondern eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens. Vor allem die Immobilienbranche steht im Fokus: Zu lange hätten sich Unternehmen auf die niedrigen Zinsen verlassen – die geldpolitischen Straffungen der Europäischen Zentralbank (EZB) führten nun zu Problemen, heißt es beim Berufsverband der Insolvenzverwalter VID.

Ein knappes Viertel mehr

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) kletterte die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen hierzulande im November um 18,8% im Jahresvergleich. Damit hat sich der Aufwärtstrend etwas verlangsamt – im Oktober hatten die Statistiker noch einen Anstieg um 22,4% verzeichnet, im September waren es 19,5%, nach 13,8% im August. Damit sind „seit Juni 2023 durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten“, betonen die Wiesbadener Statistiker. Allerdings werden die Verfahren erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in der Statistik berücksichtigt. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt Destatis zufolge in vielen Fällen annähernd drei Monate davor.

Deutlich höhere Forderungen

Die Amtsgerichte melden für die Monate Januar bis September 13.270 beantragte Unternehmensinsolvenzen. Das waren 24,7% mehr als im vergleichbaren Zeitraum des vergangenen Jahres. Damals allerdings galten noch die Corona-Sonderregelungen. Im Vergleich zu den ersten neun Monaten 2021 ergibt sich ein Rückgang um 0,4%. Entsprechend den gestiegenen Pleitefällen stieg auch das Volumen der Forderungen: Laut den Amtsgerichten lagen die Forderungen der Gläubiger aus den von Januar bis September gemeldeten Unternehmensinsolvenzen bei rund 21,1 Mrd. Euro. Im Jahr zuvor waren es rund 10,8 Mrd. Euro. Die Verbraucherinsolvenzen wiederum legten in den Monaten Januar bis September um 0,2% auf 50.018 zu.

Verkehr und Lagerei vorne

Unter den Wirtschaftszweigen ist die Insolvenzhäufigkeit Destatis zufolge weiter im Bereich Verkehr und Lagerei am höchsten. Bezogen auf 10.000 Unternehmen verzeichneten die Statistiker 79,5 Fälle. Bei den Dienstleistungen, zu denen unter anderem Zeitarbeitsfirmen zählen, waren es 63,8 Fälle. Unverändert die geringsten Fallzahlen gab es mit 4,4 in der Energieversorgung. Insgesamt kam es bezogen auf 10.000 Unternehmen von Januar bis September zu 39,1 Insolvenzen.

Mittelfristiger Anpassungsprozess

Der VID wiederum betont, dass sich bei den Insolvenzen der Schwerpunkt verändert hat. Die Immobilienbranche stehe weiter stark unter Druck: Der Fall Signa beleuchte sehr deutlich, dass viele Unternehmen in der Niedrigzinsphase im Immobiliensegment investiert hätten, erklärt VID-Vorsitzender Christoph Niering. „Solange der Zinssatz niedrig war, war das Geschäftsmodell erfolgreich.“ Seit der Zinswende Mitte 2022 gebe es „konsequent eine Korrektur von Preisen und Bewertungen“. Ein disruptive Insolvenzwelle erwartet Niering für 2024 allerdings nicht. Die Immobilienbranche gehöre zu den Bereichen, die eine Transformation durchlaufen und sich mittelfristig anpassen müssten. Dieser Prozess werde sich aber voraussichtlich über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren erstrecken.

Viele Unternehmen würden nun durch Insolvenzen in Eigenverwaltung – also durch Insolvenzpläne – versuchen, die Bewertungsverluste auf viele Schultern zu verteilen. „In der Hoffnung, dass sich die Branche in den nächsten zwei bis drei Jahren stabilisiert“, so Niering. Es sei aber fraglich, ob das bei jeder Immobilie aufgehe, da es grundlegende Veränderungen im Käuferverhalten wie z. B. bei Einzelhandelsimmobilien oder Kaufhäusern gebe. „Auch das veränderte Arbeitsleben hat die Nachfrage nach Büro- und Einzelhandelsflächen stark einbrechen lassen.“ Zudem machten die gestiegenen Anforderungen hinsichtlich der Energieeffizienz die Verwertung älterer Immobilien schwierig.