KommentarItaliens Haushalt

Italien setzt auf Sonderabgaben und Einmalerlöse aus Steuern.

Die italienische Regierung will trotz hoher Schulden weiter Steuern senken. Die Finanzierung der geplanten Maßnahmen steht indes auf schwachen Füßen. Strukturelle Maßnahmen fehlen.

Italien setzt auf Sonderabgaben und Einmalerlöse aus Steuern.

Kommentar

Flickschusterei in Rom

Von Gerhard Bläske, Mailand

Nach wochenlangem Streit innerhalb der Regierung hat Rom nun endlich den Haushaltsentwurf für 2025 und den geplanten Pfad für die folgenden Jahre vorgelegt. Trotz steigender Schulden und sich verschlechternder Wachstumsaussichten senkt die Regierung Meloni Steuern und setzt teilweise Vorruhestandsregelungen fort. 30 Mrd. Euro an zusätzlichen Ausgaben sind eingeplant. Eine solide Gegenfinanzierung gibt es nicht.

Schulden machen und Einzelmaßnahmen

Statt auf Reformen und strukturelle Maßnahmen setzt Giorgia Meloni zur Finanzierung der Wohltaten auf eine höhere Schuldenaufnahme und behilft sich mit temporären Einmalmaßnahmen. Nicht zuletzt aus ideologischen Gründen werden dazu auch die Banken herangezogen. Weniger mutig war die Regierung dagegen beim Abbau von Steuersonderregelungen, von denen vor allem Besserverdienende profitieren. Und auch Ausgabenkürzungen in fast allen Ministerien von 5% nach der Rasenmäher-Methode zeigen wenig gestalterischen Willen, sondern sind allein der Not geschuldet, die Vorgaben Brüssels einzuhalten. Denn bereits jetzt läuft ein EU-Defizitverfahren gegen Italien.

Nie zuvor hat Italien eine auf dem Papier so stabile Regierung gehabt, die tatsächlich über eine ganze Legislaturperiode im Amt bleiben könnte. Doch sie macht nichts aus ihrem Gestaltungsspielraum, streitet über jede Einzelmaßnahme und betreibt ein Weiter so, weil sie niemandem weh tun will. Zwar wird das Defizit gegenüber den hohen 7,2% des Vorjahres sinken. Aber die Schulden steigen weiter. Selbst wenn die optimistischen Wachstumsannahmen der Regierung eintreten sollten, werden sie bis 2026 fast 140% des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Italien wird Griechenland bald als das Land mit der höchsten Schuldenquote in der EU ablösen.

Nullzinsen nicht genutzt

Anders als Griechenland und Portugal hat Italien die lange Phase der Nullzinsen nicht genutzt, um strukturelle Reformen durchzuführen und Schulden zu senken. Im Gegenteil! Das war verantwortungslos, denn Rom hat von beispiellosen europäischen Hilfen profitiert. Nun gehen 90 Mrd. Euro für den Schuldendienst drauf und engen den Handlungsspielraum stark ein. Rom setzt auf ein Entgegenkommen Europas. Italien ist „too big to fail“ und wird auch in der nächsten Krise nicht hängengelassen.

Italien verfügt (noch) über eine solide wirtschaftliche Struktur. Doch ein Großteil des Wachstums der letzten Jahre basierte auf Einnahmen aus dem Tourismus, Mitteln des Europäischen Wiederaufbauprogramms und Impulsen aus der sehr großzügigen Übernahme der Kosten für die ökologische Sanierung von Gebäuden durch den Staat. Im Haushalt gibt es keine Maßnahmen, die Italien fit machen für die Herausforderungen der Zukunft. Die Entwicklung der unproduktiven Autoindustrie ist ein Menetekel. Und die demografische Entwicklung ist eine einzige Katastrophe.

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