IWF rechnet in Europa mit Wachstumseinbußen
det Washington
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) dieses Jahr schwer auf der europäischen Wirtschaft lasten und könnte in einigen Ländern zu einer Rezession führen. Vor diesem Hintergrund muss den Notenbanken eine schwierige Gratwanderung gelingen, nämlich die hohe Inflation in den Griff zu bekommen, ohne dabei einen tiefen Wachstumseinbruch zu riskieren, schreibt der IWF in seinem regionalen Konjunkturausblick für Europa.
Für den gesamten Kontinent senkte der Währungsfonds die Wachstumsprognose für 2022 verglichen mit Januar deutlich um 2,2 Prozentpunkte auf 1,6%. Die Industrieländer werden laut IWF um 3,0% wachsen, während in den Schwellenländern das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,7% schrumpfen wird. Den mit Abstand tiefsten Einbruch werden die Ukraine mit einem Minus von 35% und Russland erleben, wo die Wirtschaftsleistung laut IWF voraussichtlich um 8,5% sinken wird.
Der Bericht hebt einerseits hervor, dass sich Europa zwar von den Folgen der Corona-Pandemie erholt hatte, der unvollständige Aufschwung nun aber einen harten Rückschlag hinnehmen muss. Die explodierenden Energie- und Lebensmittelpreise hätten zu tiefen Einschnitten beim Privatkonsum geführt. Zugleich werde die große Unsicherheit die Investitionstätigkeit dämpfen. Die Entwicklung unterstreiche die Bedeutung des weiteren Ausbaus erneuerbarer Energien, heißt es in dem Bericht.
Dilemma der Notenbanken
In einem schwierigen Dilemma stecken laut IWF die Notenbanken. Da die Inflationsrate in den Industriestaaten dieses Jahr 5,5% und auf dem gesamten Kontinent 12,4% erreichen könne, sollten die Währungshüter in den meisten Ländern weiter auf eine Normalisierung der Geldpolitik hinarbeiten. Dies begründet der Währungsfonds auch damit, dass die angebotsseitige Inflationskomponente, die durch Lieferkettenstörungen und hohe Energie- sowie Lebensmittelpreise ausgelöst wird, außerhalb der Kontrolle der Notenbanken liegt.
Ergänzt werden sollte die Normalisierung durch automatische Stabilisatoren wie höhere Arbeitslosenhilfe und Steuersenkungen. Trotz des damit verbundenen Anstiegs der Staatsschulden könnten solche Maßnahmen vor allem in jenen Ländern unverzichtbar sein, die eine große Zahl von Flüchtlingen aufnehmen. Innerhalb der EU fordert der IWF eine gerechte Lastenteilung bei der humanitären Hilfe. Staaten, die nicht EU-Mitglieder sind und die Kosten der Flüchtlingskrise stemmen müssen, sollten dafür Hilfe von multilateralen Organisationen erhalten.