Jungunternehmen schieben den deutschen Arbeitsmarkt an
kro Frankfurt
Die Bedeutung von Jungunternehmen für den deutschen Arbeitsmarkt wird laut einer Studie bislang unterschätzt. Dabei seien Start-ups eine „Job-Rakete“, wie der Vorstandschef des Bundesverbands Deutsche Startups, Christian Miele, anlässlich der Veröffentlichung einer gemeinsam mit der Unternehmensberatung Roland Berger, der Internet Economy Foundation und der Deutschen Börse erarbeiteten Studie sagte. So sei die Beschäftigung in Start-ups und Scale-ups, also jungen Unternehmen in der beschleunigten Wachstumsphase, gerade in den Jahren 2018 bis 2020 deutlich stärker gewachsen als in den Dax-30-Unternehmen. Mehr als 415000 Menschen arbeiteten heute bereits in einem Start-up oder Scale-up. Dazu gebe es in Deutschland derzeit rund 1,6 Millionen Arbeitsplätze, die von Start-ups und Scale-ups direkt geschaffen oder indirekt durch sie gesichert würden. Die meisten Arbeitsplätze seien dabei im Jahr 2020 in der Konsumgüterbranche entstanden; den höchsten Zuwachs verzeichnete von 2018 bis 2020 jedoch der Fintech-Bereich mit 83 %.
Allerdings ist der Anteil der in Start-ups Tätigen an der Gesamtbeschäftigung mit 0,9 % noch relativ klein − vor allem im Vergleich zu führenden Start-up-Ländern. In den USA liege der Wert beispielsweise bei etwa 8,4 %, in Isreal sind es laut Studie 5,4 % und in Großbritannien 2,2 %. Hier hinkt Deutschland noch hinterher, so das Fazit der Studienautoren. Würde der Anteil der Start-up- und Scale-up-Mitarbeiter an der Gesamtbeschäftigung auf ein ähnliches Niveau wie aktuell in Großbritannien ansteigen − was den Experten zufolge im Bereich des Möglichen liegt −, dann könnten in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2030 hochgerechnet bis zu 974000 Jobs entstehen. Bei einem anteiligen Niveau wie in den USA wären bis dahin sogar 3,7 Millionen Menschen direkt in Start-ups und Scale-ups beschäftigt.
Einer der wichtigsten Bausteine für den Anschluss an die führenden Start-up-Nationen sei die Stärkung von Gründerinnen, die in Deutschland momentan noch deutlich unterrepräsentiert seien. Laut Studie belief sich der Anteil von Frauen an jenen, die ein Unternehmen gegründet haben, trotz kontinuierlicher Steigerungen in den vergangenen Jahren auf gerade mal 10 %. Bemerkenswert sei das speziell vor dem Hintergrund, dass die Hälfte aller Studierenden insgesamt sowie im Studienfach BWL Frauen sind.
Aber auch darüber hinaus fordern die Autoren von der neuen Legislatur noch bessere Rahmenbedingungen und eine umfassende „Start-up-Strategie“, um das Potenzial von Jungunternehmen für die Beschäftigungseffekte zu heben. So habe Deutschland zwar mit Blick auf die Kapitalausstattung in den Anfangsfinanzierungsrunden Boden zu den USA gutgemacht, wodurch in der Angel-&-Seed-Phase nur noch geringfügige Unterschiede zwischen beiden Ländern bestünden. In der Spätphase gebe es aber nach wie vor Finanzierungslücken. Demnach sei das durchschnittliche Deal-Volumen bei Late-Stage-Finanzierungsrunden in den USA um 83 % höher als in Europa. Ohne das benötigte Wachstumskapital könnten Scale-ups in der Phase aber leicht von der Konkurrenz abgehängt werden, was speziell in den „Winner takes all“-Märkten gilt.
Auch der im internationalen Vergleich seltenere Sprung an die Börse wirke sich nachteilig auf die Kapitalausstattung und somit auf die Wachstumschancen aus. Eine Untersuchung des Datenanbieters Dealroom sowie der Deutschen Börse habe demnach gezeigt, dass börsennotierte Scale-ups deutlich schneller wachsen würden als nicht gelistete Wachstumsunternehmen. Der erfolgreiche Exit bringe denn auch weitere Vorteile mit sich, so zum Beispiel den häufigen Rückfluss vom IPO-Erlös in das Start-up-System durch neue Unternehmensgründungen. Zu den weiteren empfohlenen Maßnahmen gehören eine vereinfachte Mitarbeiterkapitalbeteiligung, klarere Wettbewerbsregeln in der digitalen Welt sowie fairere Chancen bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand.