Klimapolitik

Kabinett beschließt Entlastung von CO 2 -Abgabe für Industrie

Die Ministerien für Umwelt und Wirtschaft haben sich auf eine Entlastung energieintensiver Industrien von der CO2-Abgabe verständigt. In der Industrie ist man schon jetzt enttäuscht.

Kabinett beschließt Entlastung von CO 2 -Abgabe für Industrie

sp Berlin

Die Bundesregierung hat sich nach monatelangen Verhandlungen auf eine Entlastung der Industrie von der seit Jahresanfang geltenden CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe verständigt. Das Bundeskabinett beschloss dafür am Mittwoch die sogenannte Carbon-Leak­age-Verordnung. Mit ihr sollen Unternehmen entlastet werden, die in energieintensiven Branchen tätig sind und gleichzeitig im internationalen Wettbewerb stehen. Der nationale Brennstoffemissionshandel, der zu Beginn dieses Jahres gestartet ist, werde seine Lenkungswirkung hin zu klimafreundlichen Technologien und Produkten entfalten, betonte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Es sei aber wichtig, dass Deutschland ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleibe. „Abwanderungen ins Ausland würden niemandem nützen, auch nicht dem Klima.“

Bis zu 1500 Firmen sollen von der Verordnung profitieren. Es geht vor allem um mittelgroße Betriebe etwa aus der Stahl-, Chemie-, Papier- oder Zementbranche, die auf Gas oder Öl angewiesen sind und deren Anlagen nicht vom Europäischen Emissionshandel erfasst werden. Die Entlastung gilt rückwirkend ab 1. Januar und wird für den laufenden Turnus auf gut 270 Mill. Euro taxiert. Für das nächste Jahr werden Erleichterungen in der Größenordnung von 330 Mill. Euro veranschlagt. Damit fällt die Entlastung der Industrie um durchschnittlich 100 Mill. Euro pro Jahr höher aus, als zuletzt vorgesehen war, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Noch Anfang Fe­bru­ar wurde unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, dass die Entschädigungen für die Unternehmen sich auf bis zu 800 Mill. Euro jährlich belaufen könnten.

Industrie ist nicht zufrieden

Umwelt- und Wirtschaftsministerium hatten monatelang verhandelt und wiederholt vor einer Verständigung gestanden. Schulze sprach am Mittwoch von einem angemessenen Ausgleich für Firmen, die sonst Nachteile im weltweiten Wettbewerb hätten. Allerdings müssen die Unternehmen einen großen Teil der Mittel aus der Entlastung in Klimaschutzmaßnahmen investieren. „Erfolgreicher Schutz von Klima und Wirtschaft gehen so Hand in Hand“, sagte Schulze zufrieden. Das von Peter Altmaier (CDU) geführte Wirtschaftsministerium sprach ebenfalls von einem „ausgewogenen Kompromiss“.

Aus der Industrie kamen weniger versöhnliche Töne. „Die Regelung kommt Monate zu spät, hat viele Tücken und erfüllt den Zweck der nötigen Entlastung kaum“, monierte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). „Der nationale CO2-Preis gilt nur von Flensburg bis Passau, unsere mittelständischen Mitbewerber in der EU und im Rest der Welt erhalten so einen Wettbewerbsvorteil frei Haus“, schimpfte Große Entrup. Die neue Entlastungsregel könne diese Nachteile nicht ansatzweise aufwiegen.

Zwar könnten bestimmte Bereiche der chemischen Industrie „theoretisch“ in den Genuss der Entlastung kommen, schreibt der Verband weiter. Gerade für mittelständische Unternehmen sei der Aufwand dafür, dass die eigene Wettbewerbsfähigkeit durch den CO2-Preis gefährdet wird, aber viel zu komplex. Mit dem vorgesehenen Schwellenwert für die Emissionsintensität der Unternehmen würden diese gegenüber den vom Europäischen Emissionshandel erfassten Anlagen zusätzlich benachteiligt, kritisiert der VCI.

Die Entschädigung der Firmen orientiert sich an einem Rahmen, den es bereits für die Entschädigung der Auswirkungen des Handels mit CO2-Ver­schmutzungsrechten auf EU-Ebene­ gibt. Da Kohle- oder Gaskraftwerke diese Rechte erwerben müssen, hat sich Strom verteuert. Dafür wurden Entlastungen für große Stromverbraucher definierter Branchen geschaffen, an die sich auch die gestern beschlossene Verordnung anlehnt. Weitere Sektoren, die bislang nicht von der Regelung erfasst sind, können mit einem eigenen Antragsverfahren Hilfen bekommen, sofern sie die Kriterien erfüllen. Die Verordnung wird noch dem Bundestag vorgelegt und auch die Europäische Kommission muss noch zustimmen.

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