ZEW-Barometer gibt stärker als erwartet nach

Konjunkturerwartungen so gering wie seit einem Jahr nicht mehr

Schlechte Aussichten für die deutsche und europäische Konjunktur: Das ZEW-Barometer belegt den zunehmenden Pessimismus. Auch die aktuelle Lage wird skeptischer bewertet. Und zwar sowohl in Deutschland als auch im Euroraum. Vor allem die schwächelnde Industrie verzögert die für das zweite Halbjahr erwartete Erholung.

Konjunkturerwartungen so gering wie seit einem Jahr nicht mehr

Konjunkturskepsis steigt deutlich

ZEW-Barometer gibt stärker als erwartet nach − Niedrigster Stand seit einem Jahr

ba Frankfurt

Schlechte Aussichten für die Konjunktur: Das ZEW-Barometer belegt den zunehmenden Pessimismus. Auch die aktuelle Lage wird skeptischer bewertet. Und zwar sowohl in Deutschland als auch im Euroraum. Vor allem die schwächelnde Industrie verzögert die für das zweite Halbjahr erwartete Erholung.

Von dem für das zweite Halbjahr erwarteten Aufschwung ist auch im September nichts zu sehen. Im Gegenteil, die Aussichten werden trüber und die Stimmung unter Unternehmen und Verbrauchern wird immer schlechter. Im dritten Quartal droht ein erneuter Rückgang der Wirtschaftsleistung. Jüngster Beleg ist das Ergebnis der monatlichen ZEW-Umfrage unter 162 Analysten und institutionellen Anlegern: Das Konjunkturbarometer des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat erneut deutlich nachgegeben. Das pessimistischere Bild dürfte sich auch in den noch ausstehenden Stimmungsbarometern des Ifo-Instituts und der GfK zeigen.

Das ZEW-Barometer für die Aussichten in den kommenden sechs Monaten fiel um 15,6 auf 3,6 Punkte. Ökonomen hatten zwar den dritten Rückgang in Folge erwartet, aber im Schnitt einen neuen Zählerstand von 17 prognostiziert. „Der seit November 2023 verzeichnete Optimismus bei den Konjunkturerwartungen ist somit nahezu vollständig aufgebraucht“, betonten die Wirtschaftsforscher. Auch die aktuelle konjunkturelle Lage wurde erneut schwächer eingeschätzt. Der Lageindikator gab um 7,2 auf minus 84,5 Zähler nach. Dies ist der niedrigste Stand seit Mai 2020, also in der ersten Welle der Corona-Pandemie. Die Voraussagen lagen hier im Schnitt bei minus 80 Punkten. „Die Hoffnung auf eine baldige Besserung der wirtschaftlichen Lage schwindet zusehends“, kommentierte ZEW-Präsident Achim Wambach. Die Anzahl der Optimisten und Pessimisten halte sich mittlerweile die Waage.

„Absturz, Krise und Ohnmacht“

Ökonomen machen in ihren Analysen ebenfalls keine Erholungsanzeichen aus. „Die ZEW-Befragung spricht für Absturz, Krise und Ohnmacht“, resümiert Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. „Kurzarbeit in der Industrie und Stellenkürzungen werden zunehmen.“ Besonders aus der Automobilbranche und der Stahlindustrie gebe es schlechte Nachrichten, ergänzt Christoph Swonke, Konjunkturanalyst der DZ Bank. Dass Entlassungen nicht mehr ausgeschlossen seien, verunsichere auch die Verbraucher.

Ein Stimmungswechsel ist für Krüger bis zur Bundestagswahl 2025 nicht in Sicht. „Bei anhaltender Wirtschaftsflaute wird die Regierung haushaltsseitig weiter ins Schleudern kommen“, erwartet er. Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, sieht die deutsche Wirtschaft „über die nächsten Quartale hinweg im Dreieck zwischen Stagnation, leichtem Wachstum und leichtem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts“. Nach dem Plus von 0,2% zum Jahresstart schrumpfte das BIP im Frühjahr um 0,1%. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von einer technischen Rezession gesprochen. „Für einen nachhaltigen Aufschwung müssten sich die Auftragsbücher der deutschen Unternehmen wieder füllen“, betont Gitzel.

Doch genau daran hapere es im Moment. Denn die globale Investitionsnachfrage leide derzeit, was auch an den Deglobalisierungstendenzen liege, die in China, aber auch in den USA unübersehbar seien. Zudem stocke der private Konsum, denn die hohen Inflationsraten der vergangenen Jahre hätten tiefe Spuren im Ausgabeverhalten vieler privater Haushalte hinterlassen und das Konsumverhalten habe sich in der Nach-Corona-Phase verändert. „Der Konsum von Dienstleistungen hat Vorrang vor dem Warenkonsum“, präzisiert Gitzel. Unter anderem genieße der Urlaub einen hohen Stellenwert, im Gegenzug werde selbst am Lebensmittelkonsum gespart, wie auch die Einzelhandelsumsatzentwicklung der vergangenen Monate zeige.

Aber auch die Entwicklung der Konjunktur im gemeinsamen Währungsraum wird zunehmend skeptisch gesehen. Das Erwartungsbarometer fiel um 8,6 auf 9,3 Punkte und damit nicht ganz so kräftig wie der Index für die größte Euro-Volkswirtschaft. Anders sieht es bei der Einschätzung der aktuellen Lage aus. Der Rückgang fiel mit 8,0 auf minus 40,4 Punkte signifikanter aus als derjenige für die deutsche Wirtschaft.

EZB-Schritt berücksichtigt

„Den Zinsentscheid der EZB scheinen die meisten Befragten bei ihrer Erwartungsbildung bereits eingepreist zu haben“, sagte Wambach. Vergangene Woche hatte die Notenbank die im Juni eingeleitete Zinswende mit einem zweiten Lockerungsschritt fortgesetzt. Die US-Notenbank Fed wird diesen Mittwoch nachziehen − fraglich ist nur, ob mit 25 oder 50 Basispunkten. Die Aussichten für die beiden wichtigsten Handelspartner Deutschlands, die USA und China, werden gleichfalls pessimistischer eingeschätzt, wenn auch das Minus der Erwartungsbarometer mit 0,8 bzw. 5,4 Zählern deutlich weniger stark ausgeprägt ist.

Bei der Lagebewertung stechen die Vereinigten Staaten mit einem Plus von 5,1 Punkten heraus.

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