Konsumlaune fällt ins Bodenlose
ba Frankfurt
Der private Konsum, sonst zuverlässige Wachstumsstütze hierzulande, fällt derzeit aus. Die Verbraucherstimmung ist im Juni wegen der rekordhohen Inflation und der Unsicherheit infolge des Ukraine-Kriegs auf einen bis dato nicht erreichten Tiefpunkt gefallen. Die Erwartungen an die eigene finanzielle Situation sowie die Konjunkturentwicklung sind ebenso gesunken wie die Neigung, größere Anschaffungen zu tätigen. Die Ergebnisse der GfK-Konsumklimastudie für Juni schüren wie auch die in der vergangenen Woche veröffentlichten Umfragen die Rezessionssorgen: Sowohl der Einkaufsmanagerindex als auch das Ifo-Geschäftsklima deuten eine spürbare Abkühlung an.
Inflation drückt Stimmung
Das GfK-Konsumklima wird nach einer kurzen Verschnaufpause für Juli mit −27,4 Punkten prognostiziert. Dies ist der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung für Gesamtdeutschland im Jahr 1991. Ökonomen hatten einen Rückgang auf −27,0 Punkte erwartet. Im Juni stand das Barometer noch bei revidiert −26,2 (zuvor: −26,0) Zählern. „Der anhaltende Krieg in der Ukraine sowie unterbrochene Lieferketten lassen vor allem die Energie- und Lebensmittelpreise explodieren und führen dazu, dass sich das Konsumklima so trüb wie noch nie zeigt“, erklärte GfK-Experte Rolf Bürkl zum Ergebnis der monatlichen Umfrage unter rund 2000 Verbrauchern. „Vor allem der Anstieg der Lebenshaltungskosten von derzeit knapp 8% drückt schwer auf die Stimmung der Verbraucher und schickt diese auf Talfahrt.“ Bei der Inflation lässt die Entspannung auf sich warten: Es wird erwartet, dass das Statistische Bundesamt an diesem Mittwoch für Juni eine unverändert hohe Inflationsrate von 7,9% in nationaler Rechnung bekannt geben wird.
Entscheidend für eine nachhaltige Trendwende beim Konsumklima sei neben dem Ende des Ukraine-Krieges vor allem, dass die hohen Inflationsraten zurückgeführt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) müsse dies durch eine angemessene Geldpolitik begleiten. „Allerdings sollten diese Maßnahmen wohl abgewogen sein, um die ohnehin angeschlagene deutsche Wirtschaft durch eine zu restriktive Geldpolitik nicht in die Rezession zu schicken“, heißt es bei den Nürnberger Konsumforschern.
Unter Verbrauchern sind die Rezessionssorgen derzeit hoch – das entsprechende Barometer verlor 2,4 Punkte und steht nun bei minus 11,7 Zählern. Nicht nur, dass die Lieferkettenprobleme und der Ukraine-Krieg die Produktion behindern, die rekordhohe Inflationsrate lässt die Kaufkraft der privaten Haushalte dahinschmelzen, und auch die Corona-Zwangsersparnis aus zwei Jahren wird wohl nicht im erhofften Ausmaß in Käufe und Anschaffungen fließen. „Darunter wird die Binnenkonjunktur in den kommenden Monaten leiden“, warnt die GfK.
Zumal auch mit Blick auf das eigene Einkommen Skepsis herrscht: Die Einkommenserwartung fiel um 9,8 auf −33,5 Punkte und damit auf ein 20-Jahrestief. Somit hat auch die Anschaffungsneigung ihren Abwärtstrend fortgesetzt: Der Indikator verlor 2,6 auf −13,7 Punkte. Ein niedrigerer Wert wurde zuletzt mit −20,1 Punkten während der Finanz- und Wirtschaftskrise im Oktober 2008 gemessen.
Dass zwei Frühbarometer für den Arbeitsmarkt mittlerweile etwas ungünstigere Bedingungen signalisieren, könnte bei den Verbrauchern weitere Sorgenfalten verursachen. Dass das Ifo-Beschäftigungsbarometer im Juni um 0,7 auf 103,3 Punkte gesunken ist, zeigt, dass die Unternehmen bei Neueinstellungen zurückhaltender werden. Dennoch bleibe die Nachfrage nach Arbeitskräften hoch, betonte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Denn „Fachkräftemangel ist immer noch ein zentrales Problem für die Unternehmen.“ Das Arbeitsmarktbarometer des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wiederum verzeichnete mit einem Minus von 2,4 auf 102,9 Punkte den zweitstärksten je gemessenen Rückgang im Monatsvergleich. Allein im April 2020, zur Hochzeit der Corona-Pandemie, sackte das Frühbarometer deutlicher ab.
Dass erstmals seit August 2020 eine steigende Arbeitslosigkeit angezeigt wird, dürfte laut IAB wesentlich mit der Integration Geflüchteter aus der Ukraine in den Arbeitsmarkt und deren statistischer Erfassung in der Grundsicherung zusammenhängen. Grund zur Sorge sieht IAB-Experte Enzo Weber somit nicht, denn „trotz der angespannten gesamtwirtschaftlichen Situation bleiben die Beschäftigungsperspektiven weiter gut, denn der Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig“. Das zeige auch der Arbeitskräfteknappheitsindex des IAB, der im Juni erneut auf ein Rekordhoch gestiegen sei und damit Schwierigkeiten bei Stellenbesetzungen widerspiegele.
Das europäische Pendant, das European Labour Market Barometer, hat sich im Juni ebenfalls verschlechtert – um 1,3 auf 102,9 Punkte. Neben Deutschland verzeichneten vor allem die Schweiz, Wallonien und Zypern deutliche Rückgänge, erklärte Weber. Dennoch deute der Stand des European Labour Market Barometer noch immer auf eine gute Entwicklung hin. In keinem der betrachteten Länder rutschte es unter die neutrale Marke von 100. „Die Arbeitsmärkte halten sich gut, aber Europa spürt die Auswirkungen des russischen Kriegs gegen die Ukraine und der weltweiten Lieferkettenstörungen“, berichtet Weber. Am Donnerstag berichten die Statistikämter Destatis und Eurostat über die jeweiligen Arbeitsmärkte.