Konjunktur

Kreditdynamik in Euroland lässt nach

Die Kreditvergabe an Unternehmen im Euroraum hat im Mai noch einmal erheblich an Dynamik eingebüßt. Die EZB dürfte da nun ganz genau hinschauen.

Kreditdynamik in Euroland lässt nach

ms Frankfurt

Die Kreditvergabe an Unternehmen im Euroraum hat im Mai noch einmal erheblich an Dynamik eingebüßt und damit den Trend der vergangenen Monate fortgesetzt. Das zeigen am Freitag veröffentlichte Daten der Europäischen Zentralbank (EZB). Die neuen Zahlen sind zwar verzerrt durch die Coronakrise und weniger problematisch, als es auf den ersten Blick scheint. Dennoch dürften sie die EZB in ihrer Einschätzung bestätigen, dass weiterhin eine extrem expansive Geldpolitik nötig ist, und zugleich die Debatte über weitere EZB-Liquiditätshilfen befeuern.

Die Kreditvergabe steht aktuell im besonderen Fokus, weil die EZB mit allen Mitteln zu verhindern versucht, dass der Finanzsektor zum Problem für die sich nach der Pandemie abzeichnende Konjunkturerholung wird. Neben den beispiellosen Anleihekäufen stellt sie deshalb dem Bankensektor in nie dagewesener Weise unbegrenzt und zu extrem günstigen Konditionen Liquidität bereit. Einige Beobachter fordern trotzdem weitere Hilfen, etwa bei den Liquiditätsspritzen für Banken (TLTROs).

Am Freitag teilte die EZB nun mit, dass die Banken im Währungsraum im Mai nur noch 1,9% mehr Kredite an Firmen vergeben haben als im Jahr zuvor. Das ist das geringste Plus seit Juni 2016. Im April hatte der Wert noch bei 3,2% gelegen, im März bei 5,3% und zu Jahresbeginn sogar bei rund 7%. Das Wachstum der Kredite an die Privathaushalte legte dagegen im Mai sogar minimal zu – von 3,8% auf 3,9%. Im Mittelpunkt steht aktuell aber auch mit Blick auf die Investitionstätigkeit die Kreditvergabe an die Unternehmen.

Bei den neuen Daten ist aber zu berücksichtigen, dass ein wesentlicher Treiber für die rückläufigen Zahlen ist, dass die Kreditvergabe im Frühjahr 2020 auf dem Höhepunkt der ersten Coronawelle extrem stark zugenommen hatte – es jetzt also einen negativen Basiseffekt gibt. Hinzu kommt, dass mit den besseren Konjunkturaussichten und der Auszahlung staatlicher Transfers der Kreditbedarf der Unternehmen nachlässt – was eher positiv ist und die Bedeutung der Politik im Kampf gegen die Krise unterstreicht.

Bert Colijn, leitender Volkswirt bei der ING, sieht aber auch einen geringen Kreditappetit der Unternehmen – trotz der weiter sehr günstigen Finanzierungsbedingungen. „Die guten Aussichten auf eine wirtschaftliche Erholung erhalten nicht viel zusätzlichen Schwung von der Kreditseite“, sagte Colijn.

Das Wachstum der Geldmengen M3 (8,4%) und M1 (11,6%) nahm im Mai erneut ab. Es stützt aber weiter den Konjunkturoptimismus und dürfte Inflationssorgen nähren.