Kreditvergabe im Euroraum zieht an
ms Frankfurt
Trotz der Zinswende der EZB haben sich die Unternehmen im Euroraum im August erneut kräftig mit Krediten eingedeckt. Die Banken vergaben im vergangenen Monat 8,7% mehr Darlehen an Firmen als vor Jahresfrist, wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Dienstag mitteilte. Das ist der stärkste Zuwachs seit Januar 2009. Im Juli hatte das Plus bei 7,6% gelegen. An Privathaushalte reichten die Institute im August 4,5% mehr Kredite aus als vor einem Jahr – genau wie im Monat zuvor.
Nach langem Zögern hatte die EZB angesichts der anhaltend viel zu hohen Inflation im Juli erstmals seit 2011 ihre Leitzinsen angehoben. Bereits zuvor und danach weiter hatten die Marktzinsen deutlich angezogen und sich damit die Finanzierungsbedingungen verschärft. Das hatte Sorgen geschürt, dass es zu negativen Folgen der strafferen Geldpolitik für die Kreditvergabe und in der Folge für die Konjunktur kommen könnte. Die neuen Daten dämpfen diese Sorgen zunächst einmal.
Für die EZB steht die Kreditvergabe im besonderen Fokus. Sie schaut sehr genau darauf, inwieweit im Zuge der wirtschaftlichen Abschwächung infolge des Ukraine-Kriegs und der Verschärfung der Finanzierungsbedingungen auch ein Rückschlag bei der Kreditvergabe droht – was die Konjunkturschwäche dann wiederum verstärken könnte. Mit Blick auf die Investitionstätigkeit stehen vor allem die Ausleihungen an die Unternehmen im Mittelpunkt. Ein Anziehen der Investitionen gilt vielen als zentrale Voraussetzung für einen selbsttragenden Aufschwung.
Im August zog die Kreditvergabe an die Unternehmen nun erneut spürbar an. Die gesamte Kreditvergabe im Euroraum erhöhte sich mit einer Jahresrate von 5,5% – nach 5,8% im Vormonat. Dabei nahm die Kreditvergabe an Private um 5,5% (Juli: 5,2%) und die an den Staat um 5,5% (7,0%) zu.
Die relativ guten Kreditdaten, insbesondere im Bereich der Firmenkredite, gelten als positives Signal für die Euro-Konjunktur. Nichtsdestotrotz scheint eine Rezession im Winterhalbjahr sehr wahrscheinlich – als Folge des Ukraine-Kriegs, der sehr hohen Inflation und der auch weltweit strafferen Geldpolitik.
Unterdessen wuchs die Geldmenge im Juni schwächer als zuvor. Die breit gefasste Geldmenge M3 wuchs laut EZB um 6,1%. Im Vormonat hatte die Rate revidiert 5,7% betragen. Analysten hatten mit einer deutlich schwächeren Rate von 5,4% gerechnet. Die enger gefasste Geldmenge M1 wuchs genau wie im Vormonat um 6,8%. M1 gilt vielen Beobachtern als guter Konjunkturindikator. Zugleich gilt das hohe Wachstum der Geldmengen einigen Experten als Signal für einen anhaltend hohen Inflationsdruck. Im August hatte die Teuerung bei 9,1% gelegen.