EZB

Lagarde und Knot nehmen Finanzpolitik in die Pflicht

Führende Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) treibt der Kampf gegen die hohe Inflation um. Frankreichs Notenbankchef skizziert einen Zeitplan für den Bilanzabbau.

Lagarde und Knot nehmen Finanzpolitik in die Pflicht

rec Frankfurt

EZB-Chefin Christine Lagarde hat den Finanzpolitikern in der Eurozone ins Gewissen geredet, die Notenbank im Kampf gegen die Inflation zu unterstützen. Geld- und Fiskalpolitik müssten in der aktuellen Phase kooperieren, sagte Lagarde bei einer Veranstaltung am Rande der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington laut der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Denn wenn nicht, muss die Geldpolitik noch entschlossener und entschiedener gegen die Inflation vorgehen.“ Unterdessen trommeln führende Notenbanker aus dem EZB-Rat weiter für kräftige Zinserhöhungen.

Lagardes Äußerungen unterstreichen die Sorgen vieler Notenbanker vor Nebenwirkungen starker Zinserhöhungen gegen die hohe Inflation, wie eine Rezession und Turbulenzen an den Finanzmärkten. Als mahnendes Beispiel gelten die Verwerfungen an den britischen Anleihemärkten samt Rettungseinsätzen der Bank of England. Denn die Ausgabenpläne der britischen Regierung konterkarieren nach verbreiteter Auffassung den Anti-Inflations-Kampf der Notenbank.

In der Eurozone dürften die Zinsen auf absehbare Zeit deutlich steigen. Beobachter rechnen überwiegend damit, dass die EZB die Leitzinsen Ende Oktober ein zweites Mal nacheinander um 75 Basispunkte anhebt. Dafür machte sich am Mittwoch einmal mehr der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot stark. Knot pochte im Interview mit Bloomberg auf „noch mindestens zwei weitere deutliche Zinserhöhungen“, weil die EZB die Wirtschaft erst dann mit ihren Leitzinsen nicht mehr anschiebe. Die Inflation im Euroraum beträgt derzeit 10%, das Fünffache des mittelfristigen EZB-Ziels von 2%.

„Dieses Problem wird nicht mit einer leichten Verlangsamung der Wirtschaft verschwinden“, sagte Knot und forderte „kontinuierliche Anstrengungen von unserer Seite“. Wie Lagarde nimmt auch der Niederländer die Fiskalpolitik in die Pflicht: „Die Anleihemärkte sind viel, viel sensibler geworden, was Fragen der Schuldentragfähigkeit angeht.“ Erforderlich sei deshalb „eine verantwortungsvolle, mittelfristig ausgerichtete Haushaltspolitik, bei der die Schuldentragfähigkeit im Mittelpunkt steht“.

Um für mögliche Verwerfungen an den Staatsanleihemärkten im Zuge der Zinswende gewappnet zu sein, hat der EZB-Rat das Anleihekaufprogramm TPI aufgelegt. Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau skizzierte bei einem Auftritt in New York das mögliche Vorgehen bei der sogenannten quantitativen Straffung (QT), sobald die Zinspolitik die Wirtschaft weder bremst noch anschiebt. Zunächst müssten die Banken Liquidität zurückzahlen, die sie über sehr vorteilhafte Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs) erworben haben. In einem zweiten Schritt könne der Bilanzabbau dadurch eingeleitet werden, dass auslaufende Anleihen aus dem regulären Kaufprogramm APP nicht mehr vollständig ersetzt werden. Dies könnte vor 2024 beginnen, sagte Villeroy de Galhau.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.