Unterschiedliche Signale für EZB

Licht und Schatten bei Euro-Inflation

Nach der deutschen Inflation steigt auch die Teuerung für die gesamte Eurozone entgegen den Erwartungen der meisten Ökonomen an. Der Blick auf die Monatsraten sieht für die EZB jedoch erfreulicher aus.

Licht und Schatten bei Euro-Inflation

Licht und Schatten bei Euro-Inflation

Teuerung steigt entgegen den Erwartungen leicht an – Monatsraten machen Hoffnung – Preisanstieg bei Dienstleistungen etwas geringer

mpi Frankfurt

Nach der deutschen Inflation steigt auch die Teuerung für die gesamte Eurozone entgegen den Erwartungen der meisten Ökonomen an. Der Blick auf die Monatsraten sieht für die EZB jedoch erfreulicher aus. Mit Spannung dürften die Notenbanker verfolgen, wie sich die Inflation bei Dienstleistungen weiter entwickelt.

Die Euro-Inflation im Juli sendet gemischte Signale an den EZB-Rat. Während die Inflation entgegen der Konsensschätzung von Ökonomen gegenüber dem Vorjahresmonat wieder zugelegt hat, stagniert das Preisniveau im Vergleich zum Juni. Wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch in einer Erstschätzung mitteilte, kletterte die Inflation von 2,5 auf 2,6%. Die Kernrate verharrt bei 2,9%.

Anders als bei früheren negativen Überraschungen bei der Inflationsrate waren diesmal nicht unerwartet starke Preissteigerungen für Dienstleistungen der Grund für die höhere Teuerung als erwartet. Stattdessen trieben höhere Energie- und Transportpreise die Inflation nach oben. Die Energiepreise legten um 1,3% im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Im Juni hatte der Anstieg nur 0,2% betragen; zu Jahresbeginn waren die Energiepreise noch deutlich gefallen.

Energiepreise wohl nur vorübergehend erhöht

Sollten die Krise im Nahen Osten, die mit der israelischen Tötung des politischen Führers der militant-islamischen Hamas wieder an Schärfe gewonnen hat, nicht zu einem längeren Anstieg der Ölpreise führen, dürften die Energiepreise jedoch in den kommenden Monaten nicht zu einem Treiber der Inflation werden. „Die EZB ist sich wahrscheinlich darüber im Klaren, dass der Anstieg der Kerninflation bei den Gütern mutmaßlich nur vorübergehend sein wird“, sagt Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa beim Finanzdienstleistungsunternehmen T. Rowe Price. „In ihrer Kommunikation und ihren Überlegungen hat sich die EZB auf die Dienstleistungsinflation konzentriert, da diese der im Inland erzeugten Inflation am nächsten kommt.“

Die Teuerung in diesem Bereich ist im Juli etwas gesunken. Die jährliche Inflationsrate ist von 4,1 auf 4,0% gefallen. Damit ist sie jedoch weiterhin hoch und verhindert einen schnellen Rückgang auf den Zielwert der EZB von 2% für die Gesamtrate. Dass die Dienstleistungsinflation den neunten Monat in Folge bei rund 4% verharrt, wertet Daniel Hartmann, Chefökonom des Vermögensverwalters Bantleon, als Enttäuschung. Zudem dürfte die Kerninflation als Gradmesser für den zugrunde liegenden Preisdruck seiner Prognose in den kommenden Monaten nur wenig sinken.

Warten auf weitere Daten

Eine Zinssenkung im September sei trotz dieser Aussichten gut möglich. „Für den Zinssenkungszyklus der EZB geben die jüngsten Inflationsdaten zwar keinen Auftrieb, sie stehen weiteren geldpolitischen Lockerungen aber auch nicht im Wege“, sagt er. „Viele EZB-Vertreter haben bereits verlauten lassen, dass sie bei der Inflation in diesem Jahr kein großes Abwärtspotenzial mehr sehen und diesbezüglich eher auf das kommende Jahr setzen.“

Mehrere EZB-Ratsmitglieder haben öffentlich die Bedeutung der Projektionen der Notenbank für Inflation und Wirtschaftswachstum für die Steuerung der Geldpolitik betont. Zudem bekräftigte die EZB zuletzt in einigen Veröffentlichungen, dass sie von der Qualität ihrer eigenen Prognosen überzeugt ist. Im September stehen neue Projektionen der EZB-Ökonomen an, die wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Zinsentscheids nehmen dürften. Entscheidend wird sein, ob die Vorhersage weiterhin ein Erreichen des Inflationsziels in der zweiten Jahreshälfte 2025 enthält.

Hierbei wird wiederum wichtig, wie sich das Lohnwachstum und die Profitmargen der Unternehmen entwickeln. Neue Daten diesbezüglich werden Ende August und Anfang September bekannt. Diese beiden Faktoren beeinflussen maßgeblich die Teuerung im arbeitsintensiven Dienstleistungssektor, die wiederum einen großen Einfluss auf die Kernrate hat. „Alles in allem war der unterliegende Preisdruck im Juli weiter deutlich höher, als mit dem Inflationsziel der EZB vereinbar wäre“, meint Vincent Stamer, Ökonom bei der Commerzbank. Dennoch könnte die Inflation laut seiner Einschätzung im September vorübergehend auf 2% fallen aufgrund von statistischen Basiseffekten bei den Energiepreisen. Sobald diese auslaufen, dürfte die Teuerung laut Stamer jedoch wieder anziehen.

Monatsraten der Inflation zeichnen freundlicheres Bild

Die Schwankungen bei der Gesamtrate der Inflation sind der Grund, weswegen die EZB genauer auf die Kernrate als Gradmesser für den zugrunde liegenden Preisdruck schaut. Damit es hier deutliche Fortschritte gibt, muss die Dienstleistungsinflation spürbar nachlassen. „Die heutigen Daten zur Dienstleistungsinflation zeigen, dass sich der jüngste Disinflationstrend im Dienstleistungssektor fortsetzt“, sagt Wieladek. Er verweist dabei zum einen darauf, dass die Jahresrate der Teuerung in diesem Bereich etwas gesunken ist. Zum anderen lasse die monatliche und saisonbereinigte Inflationsdynamik bei Dienstleistern nach.

Der Blick auf die Monatsraten zeichnet insgesamt ein freundlicheres Bild als die Jahresraten. Von Juni auf Juli stagnierten die Preise. Die Kernrate fällt sogar um 0,2%. „Ganz generell gilt: Im Juli gehen viele Preise gegenüber dem Juni zurück“, sagt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Die Daten enthielten daher auch positive Nachrichten für die EZB.

Ökonomen uneins

Weniger optimistisch auf die Entwicklung der Dienstleistungsinflation als Wieladek blickt Alexander Krüger. „Vor allem die Dienstleistungspreise geben weiter Anlass zu Besorgnis“, sagt der Chefökonom der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. „Noch ist die Chance aber groß, dass die Inflationsrate im September 2,0% erreicht. Auch wenn das nur ein Intermezzo ist, winkt eine längere Phase mit Quasi-Preisstabilität.“ Dies könnte der EZB als Argument für eine Zinssenkung im September dienen.

Mit dieser rechnen auch die Ökonomen der Commerzbank, die ebenfalls vor einer hartnäckigen Dienstleistungsinflation warnen. „Der vermeintliche Sprint gegen eine hartnäckige Inflation könnte sich in einen Marathon mit ungewissem Ausgang wandeln“, meint Stamer. Gitzel erwartet, dass die EZB in ihrer kommenden Projektion weiterhin eine rückläufige Inflation prognostiziert. „Dies könnte dann die Vorlage für eine weitere Zinssenkung sein – auch wenn es im Juli unerwartet nach oben ging. Die Kunst liegt sicherlich darin, diese Zinsreduktion im richtigen Licht erscheinen zu lassen.“


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