Lindner sorgt sich um die deutschen Staatsfinanzen
Lindner sorgt sich um die deutschen Staatsfinanzen
Aufruf zu Reformen für die langfristige Tragfähigkeit
wf Berlin
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hält wegen der düsteren Aussichten bei der Entwicklung der Staatsfinanzen Strukturreformen in der Sozialversicherung, am Arbeitsmarkt und für den Wirtschaftsstandort für nötig. Die Ergebnisse des Sechsten Tragfähigkeitsberichts seien ein „Appell an die Politik“, sagte Lindner vor der Presse in Berlin. Ursache für die perspektivische Verschlechterung der Staatsfinanzen ist vor allem die Alterung der Gesellschaft. Den Bericht hatte zuvor das Bundeskabinett in Berlin gebilligt. Das Fundament für Reformen sei die Schuldenregel, die von der Politik fortlaufend geeignete Maßnahmen fordere. Kurz- und mittelfristig müssten wieder fiskalische Puffer gegen künftige Krisen aufgebaut werden.
Einmal in der Legislaturperiode muss die Regierung über die langfristige Tragfähigkeit der Staatsfinanzen berichten. Die Ergebnisse waren in der vergangenen Woche bereits bekannt geworden. Der bislang letzte Bericht stammt aus 2020. Seitdem hat sich die fiskalische Tragfähigkeit verschlechtert, obwohl die Bevölkerungsvorausberechnung günstiger geworden ist. Die Babyboomer scheiden zunehmend aus dem Arbeitsmarkt aus. Damit wächst die Bevölkerung im Ruhestand und die Erwerbsbevölkerung sinkt.
Dem Bericht zufolge können die alterungsbedingten öffentlichen Ausgaben bis 2070 unter ungünstigen Bedingungen auf 36,1% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen. 2022 lagen sie bei 27,3% des BIP. Unter günstigen Bedingungen erreichen sie 30,8% bis 2070. Damit wächst auch das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit. Unter günstigen Annahmen würde der Schuldenstand bis 2070 auf rund 140% des BIP steigen, unter eher ungünstigen Annahmen auf rund 365%. Die Projektion berücksichtigt nicht die verfassungsrechtliche Schuldenregel. Die Tragfähigkeitsrisiken liegen dem Bericht zufolge vor allem beim Bund, da er die Liquidität der Sozialversicherungen verantwortet. Zudem ergeben sich direkte Effekte für den Bundeshaushalt. Länder- und Gemeindefinanzen trifft die Demografie weniger stark.
Sozialversicherung reformieren
„Die aktuelle Ausgestaltung der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ist in ihrer jetzigen Form langfristig nicht finanzierbar“, stellte Lindner fest. Er verwies auf das geplante Generationenkapital als Baustein einer Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rente. Auch bei der privaten Vorsorge bleiben weitere Schritte nötig. Am Arbeitsmarkt müssten vorhandene Potenziale aktiviert werden, sagte Lindner. Dabei geht es um Anreize, länger im Arbeitsleben zu bleiben und mehr Frauen für eine Erwerbsbeteiligung zu gewinnen. Zudem müssten Fachkräfte aus dem Ausland hinzukommen. Stärken will Lindner auch den Wirtschaftsstandort als Fundament für einen zukunftsfesten Sozialstaat. Als wichtige Standortfaktoren nannte er: weniger Bürokratie, ein wettbewerbsfähiges Steuersystem und moderne Infrastruktur.
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