Lohndruck steigt nach Erholung
ast Frankfurt
Die Erholung nach der Coronakrise schreitet auf dem Arbeitsmarkt voran. Wie Ökonomen der Europäischen Zentralbank (EZB) nun in einem vorab veröffentlichten Kapitel des Monatsberichts schreiben, verursacht die unebene Entwicklung einen steigenden Lohndruck. Konkret untersuchten die EZB-Experten die Arbeitsmärkte in den USA und Großbritannien – daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Entwicklung hierzulande ziehen.
In beiden Ländern wächst im Zuge der Erholung nach der Coronakrise das Ungleichgewicht zwischen Arbeitskräftenachfrage und -angebot. Ein Fachkräftemangel, wie er sich bereits in den USA und Großbritannien bemerkbar macht, sei „ungewöhnlich“ für eine so frühe Phase der Erholung, so die Ökonomen. Daraus leiten sie besonders in den USA einen steigenden Lohndruck ab, der wiederum ein Inflationsrisiko darstellen könnte. In Reaktion auf die rasche Erholung der Konjunktur schafften die US-Firmen ungewöhnlich schnell neue Stellen. Dadurch stieg die Anspannung auf dem Arbeitsmarkt bereits über das Vorkrisenniveau. Problematisch ist zudem, dass viele Arbeiter – etwa im Gastgewerbe – den Arbeitsmarkt verlassen oder sich umorientiert haben. Zum Vergleich: Nach der Finanzkrise erholte sich der Arbeitsmarkt ähnlich schnell, wie die Konjunktur wieder anzog, – Engpässe bei der Suche nach neuen Mitarbeitern verlagerten sich damit auf einen späteren Zeitpunkt. Auch in Großbritannien ist das Angebot deutlich träger als die Nachfrage nach Personal.
Unter Experten wächst die Sorge, dass die ungleiche Erholung eine Lohn-Preis-Spirale lostreten könnte – steigende Löhne also die ohnehin hohe Inflation weiter antreiben.
Eine ähnliche Entwicklung wird inzwischen auch in Deutschland befürchtet. Eine Lohn-Preis-Spirale wird wahrscheinlicher. Einer aktuellen Umfrage des Verbands der Familienunternehmen zufolge sorgen sich bereits zwei Drittel der Befragten um qualifizierten Nachwuchs. Im vergangenen Jahr waren es nur 39%. Neben dem Fachkräftemangel, der in immer mehr Branchen als drängendstes Problem betrachtet wird, gibt es aber weitere Faktoren, die den Lohndruck erhöhen.
Nach Plänen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) soll der Mindestlohn noch in diesem Jahr auf 12 Euro pro Stunde steigen. Zudem übten sich die Gewerkschaften 2020/21 aufgrund der Pandemie in Zurückhaltung in den Tarifrunden. Einige von ihnen kündigten nun bereits an, dass es angesichts der steigenden Inflation – die die Tarifabschlüsse der vergangenen Monate weitgehend aufgefressen hat – mit der Zurückhaltung vorbei sei. Eine Lösung für das Problem des Personalmangels sehen Arbeitgeberverband und Industrieverband in Deutschland in der Förderung einer qualifizierten Zuwanderung.