Lohnwachstum in der Eurozone zieht an
Löhne ziehen
in der Eurozone an
Europäische Zentralbank erwartet nachlassende Dynamik
mpi Frankfurt
Die Löhne nehmen im Euroraum laut neuen Daten der Jobplattform Indeed wieder stärker zu. Das Portal wertete die Stellenanzeigen auf seiner Webseite aus und ermittelte so einen Anstieg der Gehälter im Juni um 3,7% im Vorjahresvergleich. Im Mai waren die Löhne noch um 3,5% gestiegen. Das Lohnwachstum ist aktuell eine der entscheidenden Kennzahlen für die EZB bei der Steuerung ihrer Geldpolitik. Da die Daten von Indeed deutlich vor offiziellen Lohndaten vorliegen, beobachtet die Notenbank diese Berechnungen aufmerksam. So verweist etwa EZB-Chefökonom Philip Lane des Öfteren auf sie.
Das Lohnwachstum in der Eurozone ist deshalb von großer Bedeutung für die Notenbank, weil es auf die Preise insbesondere im arbeitsintensiven Dienstleistungssektor durchschlägt. Die Inflation für Dienstleistungen verharrt seit längerem über 4% und verhindert dadurch einen deutlichen Rückgang der Kernrate. Diese gilt Notenbankern als guter Gradmesser für den unterliegenden Preisdruck. Im Juni stagnierte die Kerninflation, bei der die volatilen Lebensmittel- und Energiepreise nicht berücksichtigt sind, laut einer Erstschätzung von Eurostat bei 2,9%.
EZB erwartet weiterhin Rückgang des Lohnanstiegs
Die EZB geht davon aus, dass sich das Lohnwachstum in der zweiten Jahreshälfte verlangsamen wird. Dies bekräftigte Lane vorige Woche auf einer Veranstaltung in Italien. Er verwies dabei auf Umfragen der Notenbank. „Die Unternehmen sagen uns direkt, wir sehen, dass der Lohndruck abnimmt“, sagte Lane. Demnach erwarten die befragten Firmen einen Anstieg der Löhne in 2024 zwischen 3 und 4%. Zum Vergleich: Im ersten Quartal waren die Tariflöhne in der Eurozone um 4,7% gestiegen. „Der Grund, warum wir denken, dass sich die Inflation auf 2% im kommenden Jahr abschwächen wird, ist, dass dies das letzte Jahr mit hohen Lohnzuwächsen ist“, sagte Lane.
Andere Ökonomen schätzen die Lage hingegen anders ein. Sie verweisen unter anderem mit Blick auf den Fachkräftemangel darauf, dass die Löhne weiter stark steigen dürften. Vom tatsächlichen Lohnwachstum wird der Spielraum für Zinssenkungen der EZB abhängen – vor allem im Jahr 2025.