Märkte setzen Meloni unter Druck
bl Mailand
Zwei Tage nach ihrem Wahltriumph arbeitet Fratelli-d’Italia-Chefin Giorgia Meloni aktiv an einer Regierungsmannschaft. Insbesondere an die Spitze des Wirtschafts- und Finanzministeriums, für das EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta gehandelt wird, sowie des Außen- und Innenministeriums will sie Personen mit Fachkenntnis und Profil setzen. Lega-Chef und Ex-Innenminister Matteo Salvini soll keine Chance mehr auf den Posten haben, genauso wenig wie Ex-Premier und Forza-Italia-Boss Silvio Berlusconi auf das von ihm angestrebte Amt des Senatspräsidenten.
Obwohl Meloni ausgesprochen vorsichtig agiert, Versprechungen vermeidet und Verantwortungsbewusstsein betont, ist der Spread zwischen deutschen und italienischen Zehn-Jahres-Staatsanleihen auf beunruhigende 251 Basispunkte gestiegen. Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) warnt Italien vor unüberlegten Entscheidungen und sieht haushaltstechnisch „wenig Bewegungsspielraum“. S&P sieht aber keine „unmittelbaren Risiken“. Zentral seien für Italien die Reformen des europäischen Wiederaufbauprogramms. Die EU genehmigte am Dienstag in diesem Rahmen weitere 21 Mrd. Euro. Öl ins Feuer schüttete jedoch der Meloni-Vertraute Francesco Lollobrigida, der „Veränderungen“ im Aufbauprogramm verlangte, um „die Mittel gut ausgeben zu können“. Das wird auch die Ratingagentur Moody’s zur Kenntnis nehmen, die nach bisherigen Plänen am Freitag eine neue Bewertung vornehmen will.
Unterdessen will Meloni bei der Erstellung des Haushalts für 2023 offenbar eng mit dem amtierenden Premier Mario Draghi zusammenarbeiten. Aus Brüssel kamen Signale, Rom für die Vorlage des Budgetentwurfs mehr Zeit geben zu wollen. Angesichts der sich abschwächenden Konjunktur gehen Beobachter davon aus, dass Rom das bisherige Defizitziel von 3,9% für 2023 ebenso wenig einhalten kann wie die Reduzierung der Schulden von voraussichtlich 147% in diesem auf 145% im kommenden Jahr. Allein für laufende Ausgaben zur Deckelung der hohen Energie- und Treibstoffkosten, soziale Hilfen und Kriegshilfen für die Ukraine sowie von Draghi geplante Steuersenkungen und Rentenausgaben müssen dem Vernehmen nach bis zu 40 Mrd. Euro zusätzlich gefunden werden. Es wird mehr als schwierig bis unmöglich sein, Wahlversprechen des Rechtsbündnisses wie Steuersenkungen, Vorruhestandsregelungen oder eine Mindestrente zu realisieren, auch wenn der Meloni-Vertraute Lollobrigida von notwendigen „punktuellen Signalen“ in diese Richtung spricht. Meloni will offenbar gegenüber dem russlandfreundlichen Salvini ein Signal setzen und neuen Waffenlieferungen an die Ukraine zustimmen.
Beobachter wie Davide Serra, Gründer und CEO von Algebris Investments, sind erleichtert wegen des schwachen Wahlergebnisses Salvinis. Sie sehen in ihm den Partner in der Koalition, „der wirklich anti-EU und pro Putin ist“.