„Die transatlantische Partnerschaft ist für Deutschland unverzichtbar“
Im Interview: David McAllister
„Die transatlantische Partnerschaft ist für Deutschland unverzichtbar“
Europapolitiker David McAllister fordert einen konstruktiven Umgang mit US-Präsident Trump – Berlin und Brüssel müssen zunächst eigene Wirtschaft stärken
Herr McAllister, Amerika hat gewählt. Worauf müssen sich die EU und Deutschland einstellen?
Vor acht Jahren wurde die EU von Trumps Wahlsieg überrascht. Dieses Mal ist das anders: Die Kommission hat bereits vor Monaten eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Strategien für beide Wahlausgänge – sowohl einen Sieg von Kamala Harris als auch einen Sieg von Donald Trump – vorbereitet hat.
Sollte Herr Trump eine zweite Amtszeit im Weißen Haus antreten, dann wird der Ton erneut rauer werden. Aber wir sollten nicht jeden Tag ängstlich schauen, was Präsident Trump sagt und macht, sondern unabhängig davon endlich unsere eigenen Aufgaben erledigen. Es geht darum, sachorientiert in der Zusammenarbeit mit der nächsten US-Administration nach gemeinsamen Interessen zu suchen.
Zur unbequemen Wahrheit gehört, dass Washingtons Interesse an der EU zuletzt stetig abgenommen hat. Weder Herr Trump noch Frau Harris hätten an die glanzvolle transatlantische Ära der frühen 1990er-Jahre angeknüpft. Stattdessen wird Präsident Biden wohl zunächst der letzte US-Präsident mit einer so starken persönlichen Bindung nach Europa gewesen sein.
Wie verändert sich nun die Rolle Europas in der Welt?
Zunächst braucht es eine ehrliche Bestandsaufnahme: Die transatlantische Partnerschaft ist für Deutschland und Europa unverzichtbar, und die Anbindung an die USA wegen der angespannten geopolitischen Lage umso entscheidender. Auch wenn unsere Interessen nicht immer deckungsgleich sind, steht uns kein anderer internationaler Partner so nahe wie die USA. Umgekehrt bleiben wir für die USA wichtig, weil sie weltpolitische Umbrüche nicht alleine bewältigen können.
Wir müssen endlich unsere Hausaufgaben machen. Das bedeutet, mehr gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die eigene Verteidigungsbereitschaft stärken. Zudem müssen wir die eigene Wirtschaft fördern und nicht immer mit zusätzlicher Regulierung erdrosseln. Wenn wir Europäer selbst wieder stärker werden, werden wir für die USA auch künftig ein interessanter Partner bleiben.
Es gilt, den europäischen Pfeiler innerhalb der NATO zu stärken und für die USA zum Partner auf Augenhöhe zu werden. Wir müssen transatlantisch bleiben und zugleich europäischer werden. Insgesamt brauchen wir mehr Eigeninitiative und Ernsthaftigkeit.
Welche Schwerpunkte sollte Brüssel setzen, um als Wirtschaftsraum nicht ins Hintertreffen zu geraten?
Die USA bleiben unser wichtigster Handelspartner. Gemeinsam vereinen wir rund 29% des globalen Handels auf uns. Es gilt, unsere bilateralen Beziehungen durch Dialog und konsequente Verteidigung unserer Interessen weiter auszubauen. Dazu wird insbesondere der neugestaltete Handels- und Technologierat zwischen der EU und den USA (TTC) dienen. Parallel muss es darum gehen, einvernehmliche Lösungen für die Maßnahmen zu finden, die unser Verhältnis belasten. Dazu zählen nicht nur die US-Zölle auf Stahl und Aluminium, sondern auch der US Inflation Reduction Act. Unter einem Präsidenten Trump wird der Ton rauer werden, aber protektionistische Tendenzen gibt es auf beiden Seiten des US-politischen Spektrums. Auch deshalb ist es so wichtig, dass wir als EU Handelsabkommen mit anderen Ländern und Regionen abschließen: Mercosur, Mexiko, Australien, um nur einige zu nennen.
Manövriert sich Deutschland unter den obwaltenden geopolitischen Veränderungen mit seiner Exportzentriertheit in eine Sackgasse?
Die im Wahlkampf erhobene Drohung, pauschale Zölle von 10 bis 20% gegen EU-Produkte zu verhängen, würde besonders die Exportnation Deutschland hart treffen. Die USA waren in den ersten sechs Monaten wichtigster Handelspartner der Bundesrepublik. Vier Jahre Trump könnten die Unternehmen rund 180 Mrd. Euro kosten, wie das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) berechnet hat.
Die Sorge, dass neue Zölle den Strom der Waren über den Atlantik stören könnten, ist also nicht unberechtigt.
Daher liegt es im größten Interesse Deutschlands, dass Berlin mit Blick auf unsere bilateralen Beziehungen sowie auf europäischer Ebene einen konstruktiven Umgang mit der neuen Administration in Washington initiiert. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass man sich in der heillos zerstrittenen Ampel-Koalition auf einen gemeinsamen Regierungskurs einigen kann.
Was ist Ihre größte Sorge mit Blick auf die USA als westliche Führungsmacht?
Die Präsidentschaft von Herrn Trump von 2017 bis 2021 bietet sehr konkrete Anhaltspunkte für das, was wir in den kommenden Jahren erwarten können. Seine Amtszeit war geprägt von Launenhaftigkeit, zahlreichen Personalwechseln und einer Diskrepanz zwischen dem, was der Präsident gesagt, und dem, was seine Administration getan hat.
Es ist wahrscheinlich, dass sich Herr Trump in der anstehenden Amtszeit von vornherein ausschließlich mit Loyalisten umgeben würde. Das könnte entscheidende Auswirkungen auf den Kurs der nächsten vier Jahre haben, insbesondere mit Blick auf die amerikanische Unterstützung der Ukraine. Ein von Donald Trump während des Wahlkampfes in Aussicht gestellter schneller „Deal“ wäre – wenn er die Souveränität der Ukraine preisgeben und Russland stärken würde – eine Katastrophe für die Ukraine und ein schwerer strategischer Fehler mit weitreichenden Folgen für Europa und die Welt. Allerdings bleibt abzuwarten, wie Herr Trump seine Ukraine-Politik schlussendlich ausrichten wird – denn die größte Konstante seines politischen Vorgehens war schon immer Unberechenbarkeit. Fest steht nur: Gegner wie Partner der Vereinigten Staaten müssen in den nächsten Jahren wohl erneut mit transaktionalen Forderungen und Alleingängen rechnen.
Das Interview führte Stephan Lorz.