Verteidigungsetat

Mehr Geld für die Freiheit

Der Angriffskrieg Russlands legt die unzureichende Ausstattung der Bundeswehr offen. Schon jetzt ist klar: Frieden und Freiheit gibt es nicht mehr zum Sparpreis.

Mehr Geld für die Freiheit

wf/ms Berlin/Frankfurt

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hierzulande mehr Mittel für eine angemessene Ausstattung der Bundeswehr in Aussicht gestellt. „Wir müssen uns mit der Tatsache vertraut machen, dass unsere Streitkräfte seit vielen, vielen Jahren auf Verschleiß gemanagt wurden“, sagte der FDP-Vorsitzende in der ARD-Sendung „Maischberger“. Die deutsche Politik müsse lernen, „dass auch Bündnisverteidigung eine politische Priorität ist“. Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, hatte am Tag des Angriffs von Russland per Tweet erheblichen Nachholbedarf bekannt: „Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da“, schrieb Mais. „Die Optionen, die wir der Politik zur Unterstützung des Bündnisses anbieten können, sind extrem limitiert.“

Die mittelfristige Finanzplanung in den nächsten Jahren bis 2025 sieht sinkende Ausgaben für die Bundeswehr vor (siehe Grafik). Im Entwurf des Haushaltsplans 2022, der noch von Lindners Amtsvorgänger, dem heutigen Kanzler Olaf Scholz (SPD), stammt, sind 50,3 Mrd. Euro vorgesehen. Darin enthalten sind 1,2 Mrd. Euro aus dem Konjunkturpaket. Von 2023 bis 2025 sind bislang jeweils nur Ausgaben um die 47 Mrd. Euro eingeplant. „Sinkende Verteidigungsausgaben, die passen nicht mehr in die Zeit“, sagte Lindner.

Gleichwohl liegen diese Beträge deutlich über früheren Etatansätzen. Ursula von der Leyen (CDU) freute sich noch 2017 in ihrem vorvorletzten Amtsjahr als Bundesverteidigungsministerin über eine überproportionale Steigerung ihres Etats um 8%, kam damit aber nur auf 37 Mrd. Euro. Die Summe entsprach 1,22% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und lag damit noch weit entfernt von der Vereinbarung im Nato-Bündnis. Bis 2024 wollen die Partner 2% ihres BIP für Verteidigung ausgeben. Der frühere US-Präsident Donald Trump hielt der deutschen Regierung stets vor, dass sie die Quote nicht erfüllt. Seit dem Amtswechsel zu Joe Biden sind die Töne leiser geworden, aber mit dem Krieg in Europa wird auch die Frage der Verteidigungsausgaben wieder lauter gestellt werden. Aktuell müsste der Bund rund 71 Mrd. Euro für Verteidigung ausgeben, um die Nato-Quote zu erfüllen.

„Blutige Köpfe“

Unterstützung für höhere Verteidigungsausgaben erhält Lindner aus der Wissenschaft vom Wirtschaftsweisen Volker Wieland. „Deutschland muss seine Wirtschaftskraft in angemessene militärische Verteidigungskapazitäten umsetzen, die es in die Nato einbringen kann“, sagte Wieland der Börsen-Zeitung. Ein Angriff wie jener von Russland jetzt „würde am ehesten dann vermieden, wenn die militärischen Kapazitäten des Angegriffenen so groß sind, dass sich die Angreifer mit Sicherheit blutige Köpfe holen“. Wieland rät dazu, den Dingen ins Auge zu sehen. „Der Angriff Russlands auf die Ukraine wirft Europa zurück in die Zeiten der Großmachtpolitik, wie sie vor dem Zweiten Weltkrieg praktiziert wurde“, sagte Wieland: „Man sollte die Realitäten anerkennen und sich dementsprechend verhalten, statt sich Illusionen zu machen.“ Ähnlich äußerte sich der Ökonom Friedrich Heinemann vom ZEW Mannheim. „Die fiskalische Friedensdividende, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs realisiert werden konnte, fließt nicht mehr“, erklärte er. „Rüstungsausgaben werden künftig wie Klimainvestitionen wieder zu einem unverzichtbaren Beitrag zu einem europäischen öffentlichen Gut werden.“ Zugleich warnt er mit Blick auf absehbare Verteilungskämpfe davor, wegen höherer Verteidigungsausgaben den Stabilitätspakt oder die Schuldenbremse aufzuweichen.

Die Überlegungen fallen in eine Zeit, in der Lindner mit seinen Kabinettskollegen über den Etat 2022, die Eckwerte 2023 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2025 verhandelt. Am 9.März wird das Kabinett entscheiden. Nach drei Corona-Ausnahmejahren soll 2023 die Schuldenbremse wieder ziehen. Der Bund plant mit der Rückkehr zur Normallage für 2023 bislang Ausgaben von 403,4 Mrd. Euro. Verteidigung ist gewöhnlich der zweitgrößte Einzeletat nach Sozialem. In der Coronakrise hatte sich noch der hoch dotierte Gesundheitsetat dazwischengeschoben. Die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr krankt nach umfassender Kritik an schlechter Ausrüstung. Deshalb kommt es stark auf die Zusammensetzung der Ausgaben an. Von den 47 Mrd. Euro im Etat entfallen rund 8,3 Mrd. Euro auf militärische Beschaffung und 4,1 Mrd. Euro auf Materialerhaltung.