Mehr Impfen bringt Wirtschaft in Schwung
wf Berlin
– „Das größte Risiko für die Konjunktur in Deutschland stellt eine möglich dritte Infektionswelle dar“, sagte der Wirtschaftsweise Volker Wieland bei der Vorstellung der Konjunkturprognose des Sachverständigenrats für Wirtschaft vor der Presse. Wieland zielte damit auf den Fall ab, dass die Industrie wieder Betriebe schließen oder die Produktion einschränken müsse. Die verzögerten Impfungen durch die Aussetzung des Vakzins von AstraZeneca werden die Konjunktur nach Einschätzung der Sachverständigen nur zeitweise bremsen. Die Wirtschaftsweisen rechnen damit, dass bis Herbst bei den Impfungen die kritische Marke von 70% erreicht werden kann.
Für 2021 rechnen die Ökonomen mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland um 3,1%. Im November hatten sie noch einen Zuwachs um 3,7% erwartet. Im ersten Quartal gehen die Wirtschaftsweisen wegen der anhaltenden Einschränkungen als Folge der hohen Infektionszahlen von einem Rückgang des BIP um rund 2% aus. In den kommenden Monaten dürfte sich die Erholung wieder fortsetzen, erwarten die Ökonomen im Zuge beschleunigten Impffortschritts, der Eindämmung der Pandemie und möglichen graduellen Lockerungen. „Die Wirtschaftsleistung wird voraussichtlich zum Jahreswechsel 2021/22 wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen“, sagte Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. 2022 dürfte das BIP um 4% zulegen. Bei der Inflationsrate rechnen die Ökonomen im Jahresdurchschnitt mit einem Plus von 2,1% in diesem und 1,9% im nächsten Jahr. Zuletzt hatten die Preise wieder angezogen – Folge des steigenden Ölpreises, der CO2-Bepreisung sowie dem Ende der temporären Umsatzsteuersenkung.
Impfungen ankurbeln
Ein neuer Lockdown über drei Monate würde das Wachstum um einen Prozentpunkt dämpfen, erwarten die Wirtschaftsweisen. Chancen für eine rasche Erholung der Wirtschaft sehen sie in einem beschleunigten Impftempo. „Damit Deutschland das EU-Ziel, 70% der erwachsenen Bevölkerung zu impfen, bis Ende September 2021 erreicht, muss die aktuelle Anzahl der täglichen Impfungen in den Impfzentren um 50% gesteigert werden“, sagte Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Dies sie durchaus machbar. Grimm riet dazu, Haus-, Fach- und Betriebsärzte einzubinden, um zu mobilisieren. Bereits im zweiten Quartal würde die Lieferung von Impfstoffen die Kapazität der Impfzentren übersteigen. Durch Einbindung der Ärzte könnte Deutschland das 70-Prozent-Ziel bereits im Juli erreichen. Die Aussetzung des Impfstoffs von AstraZeneca gefährde die Impfziele nicht – zumal bald mit der Zulassung von Vakzine weiterer Hersteller zu rechnen sei, machte Grimm deutlich.
Finanzstabilität gewahrt
Die Risiken für die Finanzstabilität sieht der Sachverständigenrat trotz Krise im Prognosehorizont als sehr begrenzt an. 2020 seien vor allem Insolvenzen kleinerer Unternehmen ausgeblieben. Darauf wiesen erhöhte Forderungen der Gläubiger hin. Schnitzer zufolge ist dort mit einem Nachholeffekt zu rechnen, wenn Ende April die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausläuft und weniger staatliche Hilfe kommt. Besonders die kleinen Unternehmen seien aber mit einer deutlich höheren Eigenkapitalquote in die Coronakrise als in die Finanzkrise gestartet. Die Auswirkungen auf den Finanzsektor seien eher gering, da vor allem kleine Unternehmen betroffen seien und die fraglichen Sektoren – Gastgewerbe und Dienstleistungen im personennahen Bereich – einen nicht so starken Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung hätten. Die Kreditversorgung stuft der Sachverständigenrat grundsätzlich als positiv ein. „Aber wir sehen schon, dass sich die Kreditvergabebedingungen etwas verschärfen“, sagte Schnitzer mit Blick die „höhere Risikowahrnehmung“ durch die Banken.