Mehr Planungssicherheit für Klimainvestitionen
Von Stefan Paravicini, Berlin
„Es gibt zwei Gründe, warum wir Klimadifferenzverträge brauchen“, sagt Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik beim DIW Berlin. Erstens sollten Carbon Contracts for Difference (CCFDs) sicherstellen, dass Unternehmen ihre Investitionen in klimaneutrale Technologien mit einem stabilen Preis für CO2-Emissionen planen können. Denn eine Anlage, die erst ab einem hohen Niveau für den CO2-Preis wirtschaftlich betrieben werden kann, sei trotz ambitionierter Ziele in der Klimapolitik immer noch schwer über die Hausbank zu finanzieren. „Das ist nichts, wofür man ein Darlehen bekommt“, sagt Neuhoff mit Blick auf die Unsicherheit über die CO2-Preisentwicklung. Wenn man aber nicht mit Fremdkapital finanzieren könne, brauche man für so eine Anlage statt 3 oder 4% Rendite schnell 15% oder mehr für Eigenkapital. Die Transformation der Industrie in Richtung Klimaneutralität würde so nur langsam in Gang kommen. „Deshalb ist es sinnvoll, den Investoren Klarheit zu geben, dass es der politische Wille ist, dass diese Anlage errichtet wird.“
Der zweite Grund für den Einsatz von CCFDs hat mit dem Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) zu tun: Klimafreundliche Industrieanlagen stehen laut dem DIW-Ökonomen immer noch nicht im Wettbewerb mit konventionellen Anlagen, die den vollen CO2-Preis bezahlen. Die Emissionszertifikate im EU-ETS werden bisher kostenlos vergeben, damit die Industrie nicht an andere Standorte abwandert, wo CO2-Emissionen heute noch nicht bepreist werden.
Die geplante Reform des europäischen Emissionshandels sieht zwar vor, dass das sogenannte „Carbon Leakage“ künftig durch einen Ausgleichsmechanismus an der Grenze zur EU – Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) – verhindert werden soll, was die Auktionierung von Emissionszertifikaten für konventionelle Anlagen im Rahmen des EU-ETS ermöglichen würde. Die EU-Kommission sieht in ihrem Entwurf zu der Reform eine schrittweise Einführung des CBAM bis 2035 vor. „Bis dahin müssen wir die Mehrkosten abdecken“, sagt Neuhoff.
Schwieriger als die Frage, ob und warum die Klimadifferenzverträge für die Transformation der Industrie zum Einsatz kommen sollen, ist die Frage nach dem Wie. Die Denkfabrik Agora Energiewende hat in einer Studie vorgerechnet, was das Instrument für den Umbau der Grundstoffindustrien Zement, Stahl und Ammoniak kosten würde. Neuhoff spricht sich für einen breiten Einsatz der Differenzverträge aus. „Da wir ein Technologieland sind, wäre es gerade in Deutschland spannend, Projekte in verschiedenen Bereichen der Grundstoffherstellung und des Recyclings zu unterstützen, um neue Technologien zu etablieren, mit denen wir Klimaschutz weltweit exportieren können“, sagt Neuhoff. So würden nicht nur kurz- und mittelfristige Emissionsminderungen erreicht, sondern auch enorme Minderungspotenziale für die Zukunft erschlossen, sagt der Experte.
Die Diskussion über die Finanzierung der Differenzverträge ist für Neuhoff mehr als eine haushaltspolitische Debatte. „Im Grundsatz kann man natürlich alles aus Haushaltsmitteln machen, aber da stößt man schnell an Grenzen und wirft damit auch eine Glaubwürdigkeitsfrage auf.“ Es gehe nicht nur darum, ein oder zwei Projekte zu finanzieren, sondern um eine belastbare Perspektive für Folgeprojekte, sagt Neuhoff. So werde erreicht, dass Grundstoffindustrie und Anlagenbau nicht nur Pilotprojekte umsetzen, sondern dabei mit vollem Engagement nach kostengünstigen und effizienten Lösungen suchen, damit sie auch in entsprechenden Folgeprojekten erfolgreich sein werden. So könne trotz der Herausforderungen für öffentliche Technologieförderung ein gutes Ergebnis erzielt werden. „Die Einordnung in so eine Perspektive ist das Wichtigste“, sagt Neuhoff.