Frankreichs Regierungssuche

Mélenchons Drohungen stellen Linksbündnis vor Zerreißprobe

In Frankreich drängt die Zeit, eine neue Regierung zu finden – auch wegen der Vorbereitungen für den Haushaltsentwurf. Sie haben sich bereits verzögert.

Mélenchons Drohungen stellen Linksbündnis vor Zerreißprobe

Frankreichs Regierungssuche

Mélenchons Drohungen spalten Linksbündnis

Zeitdruck bei Regierungsbildung in Frankreich – Vorbereitungen des Haushaltsentwurfs verzögern sich

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Gesche Wüpper, Paris

Sechs Wochen nach den Parlamentswahlen steht Frankreich noch immer ohne eine neue Regierung da. Die Hoffnung, Präsident Emmanuel Macron werde direkt nach dem Ende der Olympischen Spiele in Paris einen neuen Premierminister ernennen, haben sich zerschlagen. Macron will die Vorstände der Parteien und Bündnisse am 23. August treffen, um mit ihnen über die Regierungsbildung zu sprechen. Die linksextreme Partei La France Insoumise (LFI) droht Macron inzwischen jedoch mit einem Amtsenthebungsverfahren.

In einem Gastbeitrag in der Sonntagszeitung „La Tribune Dimanche“ warfen LFI-Chef Jean-Luc Mélenchon und andere Parteispitzen Macron vor, seine Macht zu missbrauchen und einen institutionellen Staatsstreich zu verüben. Macron müsse die Ergebnisse der Parlamentswahlen zugeben, fordern sie. Wenn er Lucie Castets, die Kandidatin des Linksbündnisses Nouveau Front Populaire (NFP), nicht als Premierministerin berufe, werde seine Partei von Artikel 68 der Verfassung Gebrauch machen, droht Mélenchon. Der Artikel 68 bietet die Möglichkeit, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten, wenn der Präsident seine Pflichten verletzt.

Kritik von den Bündnispartnern

Ein solches Amtsenthebungsverfahren habe angesichts der momentanen Mehrheitsverhältnisse keine Chance auf Erfolg, heißt es in Paris. Denn dafür ist eine Zweidrittelmehrheit in mehreren parlamentarischen Instanzen notwendig. LFI kann jedoch nicht mal auf die Unterstützung durch die Bündnispartner der NFP hoffen. Im Gegenteil, denn die Drohung Mélenchons stellt das Linksbündnis vor eine Zerreißprobe. Sozialisten, Kommunisten und Grüne distanzierten sich davon. Denn sie fürchten, dass sich dadurch die Chance, dass das Linksbündnis mit der Regierungsbildung beauftragt wird, verringert.

Den Präsidenten zu bedrohen und eine institutionelle Krise heraufzubeschwören sei nicht angebracht, meint Kommunistenchef Fabien Roussel. Die Drohung Mélenchons sei eine unangebrachte Provokation, findet Patrick Kanner von den Sozialisten. Ein solches Vorgehen sei nicht korrekt angesichts des Vorgehens Macrons, der die Parteien zusammen empfangen wolle. Die unangemessene Initiative von LFI führe zu einem unguten Kräftemessen mit Macron, sagt der ehemalige grüne Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot. Wie andere argwöhnt er, dass Mélenchon hofft, von vorgezogenen Präsidentschaftswahlen profitieren zu können.

Brüssel wartet auf Plan zur Defizitbekämpfung

Denn die neue Volksfront ist als stärkstes Bündnis aus den Parlamentswahlen hervorgegangen und LFI als stärkste Partei innerhalb von ihm. Das Linksbündnis verfügt über 193 Abgeordnete, ist damit jedoch weit von der absoluten Mehrheit von 289 Sitzen entfernt. Obwohl die Allianz von Macrons Partei mit 166 Abgeordneten sowie der rechtsextreme Rassemblement National (RN) mit 142 fast ähnlich stark in der Nationalversammlung vertreten sind, beansprucht das Linksbündnis für sich das Recht, die Regierung zu bilden. Weil keine Gruppe die Mehrheit habe, sei es normal, dass der Präsident die verschiedenen Parteien und Gruppierungen für die Regierungsbildung konsultiere, heißt es aus Macrons Umfeld.

Die Zeit, eine neue Regierung zu finden, drängt auch, weil sich die Vorbereitung des Haushaltsentwurfs für 2025 durch die Neuwahlen erheblich verzögert hat. Normalerweise ist er gegen Ende Juli festgezurrt, sodass nach der Sommerpause nur noch Feinschliff erfolgt. Dann muss der Ministerrat den Gesetzentwurf Ende September absegnen, sodass er Anfang Oktober dem Parlament präsentiert werden kann. Vor allem muss Frankreich vor dem 20. September der EU-Kommission einen Plan für die nächsten Jahre vorlegen, wie das Defizit abgebaut werden soll.

Viele Beobachter fragen sich jetzt nicht nur, ob Frankreich rechtzeitig eine neue Regierung bekommt, der all das fristgerecht gelingt. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse zweifeln viele, ob es ihr gelingen kann, einen Haushalsentwurf durchs Parlament zu bringen.

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