Meloni bemüht sich um Beruhigung der Märkte
bl Mailand
Angesichts wachsender internationaler Sorgen um Italien im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25. September versucht die Favoritin Giorgia Meloni die Finanzmärkte und die europäischen Partner zu beruhigen. Bevor sie Wahlversprechen umsetze, wolle sie sich im Falle eines Sieges zunächst ein Bild über die Ressourcen verschaffen, sagte die Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia. „Ich bin sehr vorsichtig“, fügte sie hinzu. Italien müsse seine Interessen verteidigen, wolle aber Europa nicht zerstören und „verrückte Dinge“ machen. Melonis Partei werden in Umfragen um die 25% der Stimmen vorhergesagt. Zusammen mit den Rechtsparteien Lega und Forza Italia kämen die Fratelli d’Italia Prognosen zufolge auf fast 50%. Damit würde das Rechtsbündnis die Regierung stellen. Das besorgt sowohl die Partner in der EU als auch die Finanzmärkte. So ist der Zinsabstand zwischen italienischen und deutschen Zehn-Jahres-Staatsanleihen zuletzt auf 230 Basispunkte gestiegen. Die Finanzierungskosten für Staat und Unternehmen sind gewachsen.
Parallel dazu wetten Hedgefonds gegen das Land. Der Wert leerverkaufter Staatsanleihen Italiens ist laut dem Analysedienstleister S&P Global in diesem Monat auf mehr als 39 Mrd. Euro gestiegen. Das ist der höchste Stand seit 2008. Dies wird mit der wachsenden Unsicherheit vor den Wahlen und Befürchtungen begründet, Italien werde nach dem Ende der Regierung unter Ministerpräsident Mario Draghi die im europäischen Wiederaufbauprogramm festgeschriebenen Reform- und Investitionsziele nicht einhalten. Insbesondere Meloni und Lega-Chef Matteo Salvini fordern Korrekturen des Plans, dessen größter Nutznießer Italien ist, das daraus mehr als 190 Mrd. Euro erhält. In den nächsten Wochen stehen auch neue Bewertungen der Ratingagenturen an, von denen zwei kürzlich den Ausblick reduziert hatten.
Anders als Salvini, der eine volle Rente nach 41 Beitragsjahren und eine Flat Tax fordert, sowie Silvio Berlusconi, der für eine Mindestrente von 1000 Euro ist, hält sich Meloni mit teuren Forderungen weitgehend zurück und betont die Einbettung des Landes in Nato und EU. Dass Draghi erklärte, Italien werde „es schaffen, egal mit welcher Regierung“, wurde von manchen Beobachtern als Unterstützung Melonis gewertet. Auffallend ist, dass sich Meloni und Draghi gut verstehen und häufig austauschen.
Angesichts der massiv steigenden Energiepreise bereitet Draghi ein neues Hilfspaket vor, obwohl Unternehmen und Haushalte 2022 bereits 50 Mrd. Euro erhalten haben. Carlo Bonomi, Chef des Industriellenverbandes Confindustria, spricht von einem „nationalen Notstand“. Die geschäftsführende Regierung müsse „sofort“ neue Maßnahmen beschließen. Italien profitiert bisher von sprudelnden Steuereinnahmen. Dies und die hohe Inflation haben dazu geführt, dass die gigantische Verschuldung nicht weiter gestiegen ist. Salvini fordert 30 Mrd. Euro neue Hilfen. Sollte Italiens Forderung nach einer Preisobergrenze für Gas in Europa nicht erfüllt werden, müssten die Schulden erhöht werden.