Merz peilt schnelle Regierungsbildung an
Merz peilt schnelle Regierungsbildung an
Gesprächsangebot an die SPD – Verteidigung, Migration und Wirtschaft als Kernthemen
Die CDU/CSU ist aus der vorgezogenen Bundestagswahl mit dem Auftrag zur Regierungsbildung hervorgegangen. Eine Koalition mit der SPD ist die wahrscheinlichste Variante. Die Grünen sehen für sich die Oppositionsrolle. Die FDP scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde und scheidet aus dem Bundestag aus.
Von Angela Wefers, Berlin
Die Union will mit der SPD eine Regierung bilden und Gespräche über eine schwarz-rote Koalition im 21. Bundestag aufnehmen. Dies kündigte der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz am Montagnachmittag vor der Presse in Berlin an. „Wir werden über drei große Themen miteinander zu sprechen haben“, sagte Merz. Ein Regierungsbündnis will er „bis spätestens Ostern“ schmieden. Das ist Mitte April. Die Welt warte nicht auf Berlin, betonte der mögliche künftige Kanzler. „Deutschland braucht eine handlungsfähige Regierung, die eine parlamentarische Mehrheit hinter sich hat“, sagte der CDU-Vorsitzende.
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Mit der SPD will er priorisierte Themen besprechen: Europa müsse seine eigene Verteidigungsfähigkeit organisieren. Die weiteren beiden Themen seien Migration und die wirtschaftliche Lage. Die Industriearbeitsplätze in Deutschland müssten erhalten bleiben, betonte Merz. Dies liege auch im Interesse der SPD. Der seit Jahren SPD-dominierte Wahlkreis Wolfsburg, Sitz der VW-Zentrale, ging 2025 erstmals knapp an die CDU.
Merz strebt schlanken Koalitionsvertrag an
Mit Blick auf die volatile Weltlage strebt Merz keinen aufwendig durchverhandelten Koalitionsvertrag an. Vier Jahre vorauszuschauen, hält er kaum für möglich. Er strebt nach eigenem Bekunden vor allem „Überschriften“ an, zu denen die Koalitionspartner einige Grundsätze vereinbarten.
SPD-Co-Parteichef Lars Klingbeil zeigte sich zurückhaltend zu Sondierungs- oder Koalitionsgesprächen. Die SPD müsse stark und handlungsfähig sein. „Ob es zu einer Regierungsbildung kommt, ob die SPD in eine Regierung eintritt, das steht nicht fest“, sagte Klingbeil. Diese werde in „den nächsten Wochen und Monaten“ entschieden. Es liege bei Merz, auf die SPD zuzukommen. Ziel seiner Partei sei es, das „Land verantwortungsvoll aufzustellen“. Merz müsse erklären, wie er die Gräben schließen wolle, die er mit Äußerungen im Wahlkampf aufgerissen habe. Wie SPD-Generalsekretär Matthias Miersch stellte er eine Abstimmung der SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag in Aussicht. Klingbeil wird für die SPD die Sondierungs- und mögliche Koalitionsgespräche anführen. Er soll auch SPD-Fraktionschef werden und stellt sich diese Woche zur Wahl.
Union hatte mehr erhofft
CDU und CSU hatten bei der Bundestagswahl ihr Ergebnis um 4,4 Prozentpunkte auf 28,6% verbessert und werden damit die stärkste Fraktion im Bundestag sein. Die Union blieb allerdings hinter den Erwartungen zurück, die 30-Prozent-Schwelle deutlich zu überspringen. Die SPD hatte mit 16,4% und einem Verlust von 9,3 Prozentpunkten ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis eingefahren. Für Union und Grünen gebe es keine Mehrheit, deshalb werde es auch nicht sondiert, machte Merz deutlich. Für die Grünen hatten Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock bereits am Mittag bekannt gegeben, die Oppositionsrolle zu akzeptieren. Die Grünen verloren 3,1 Prozentpunkte und erreichten nur noch 11,6%. Die FDP scheidet für Sondierungsgespräche aus, da sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht genommen hat. Sie kam nur auf 4,3%. Deutliche Zugewinne gab es für AfD und Linke. Die AfD verdoppelte ihr Ergebnis auf 20,8%. Die Linke legte trotz der Abspaltung des BSW mit Parteichefin Sahra Wagenknecht um 3,9 Prozentpunkte auf 8,8% zu. Eine Koalition mit AfD und Linken hatte die Union vor der Wahl ausgeschlossen.
Das BSW verpasste knapp den Einzug in den Bundestag. Wagenknecht kündigte an, prüfen zu wollen, ob die Wahl wegen der erschwerten Stimmabgabe der rund 230.000 Auslandsdeutschen angefochten werden kann. Nur ein „Bruchteil“ habe die Briefwahl nutzen können.
Wirtschaft hofft auf Kurswechsel
Die Wirtschaft dringt auf eine zügige Regierungsbildung und hofft auf einen Kurswechsel. „Es braucht einen wirklichen Neubeginn“, verlangte der Industriepräsident Peter Leibinger. Er forderte „durchgreifende Strukturreformen für die Wirtschaft“. Die Verteidigung Deutschlands und Europas müsse nachhaltig gestärkt werden. Der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, Rainer Kirchdörfer, hält „radikale Maßnahmen für den Bürokratieabbau“ für vorrangig. Zudem forderte er die schnelle Senkung der Strom-Netzentgelte und geringere Unternehmenssteuern. DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi erwartet „eine Investitionsoffensive im Eiltempo“, um die Zukunft des Landes zu sichern. Weitere Bausteine seien eine gerechte Arbeitsmarktpolitik sowie mehr soziale Gerechtigkeit.