Konjunktur

Miese Laune in der Euro-Wirtschaft

Die Wirtschaftsstimmung im Euroraum hat sich im Juli erneut stark verschlechtert. Das schürt Sorgen vor einer Rezession. Auch in der EZB wird die Konjunkturabkühlung genau beobachtet.

Miese Laune in der Euro-Wirtschaft

ms Frankfurt

Die Wirtschaftsstimmung im Euroraum hat sich im Juli erneut stark verschlechtert – und auch stärker als ohnehin erwartet. Der Economic Sentiment Indicator (ESI) der EU-Kommission fiel im Vergleich zum Vormonat um 4,5 Punkte auf 99 Punkte, wie die Behörde am Donnerstag in Brüssel mitteilte. Experten hatten im Schnitt einen Rückgang auf 102 Punkte erwartet. Der Rückgang ist bereits der fünfte in Folge und der Indikator liegt nun auch unterhalb seines langfristigen Durchschnitts.

Der ESI reiht sich damit ein in eine ganze Riege schwächerer Konjunkturdaten aus der Euro-Wirtschaft, die auch die Sorge vor einer Rezession in der Währungsunion zunehmen lassen. Die Wirtschaft wird derzeit durch hohe Energiepreise und anhaltende Lieferkettenprobleme belastet, die durch den Krieg in der Ukraine und die harte Coronapolitik in China ausgelöst worden sind. Die sehr hohe Inflation drückt zudem auf die Verbraucherstimmung.

Wie die EU-Kommission nun mitteilte, hat sich die Stimmung in den Industriebetrieben der Eurozone nach einer leichten Aufhellung im Vormonat merklich eingetrübt. Auch das Dienstleistungs-, das Verbraucher- und das Einzelhandelsvertrauen haben demnach gelitten. Die Eintrübung bei den Dienstleistern ist be­sonders bemerkenswert, weil sie der Hoffnung der Europäischen Zentralbank (EZB) zuwiderläuft, dass insbesondere der Tourismussektor im dritten Quartal wachstumsstützend wirken wird. Auch die Stimmung in der Bauwirtschaft hat sich eingetrübt.

„Eine Rezession ist nah“

Die nun erreichten 99,0 Punkte bedeuten für den ESI den niedrigsten Stand seit Februar 2021, also seit fast eineinhalb Jahren. „Der ESI signalisiert, dass eine Rezession nah ist“, sagte Peter Vanden Houte, Chefvolkswirt für die Eurozone bei der ING, zur neuen Umfrage. Unter den größeren Mitgliedstaaten ging der ESI in Spanien (−5,0), Deutschland (−4,9) und Italien (−3,4) sehr deutlich zurück, während er in Frankreich (−0,1) und den Niederlanden (+0,2) weitgehend stabil blieb.

Die sich immer stärker abkühlende Wirtschaft schürt auch zunehmend Zweifel daran, dass die Europäische Zentralbank nach ihrer Zinswende in der vergangenen Woche ihre Leit­zinsen wie avisiert weiter wird anheben können – trotz der hartnäckig hohen Inflation (siehe Text auf dieser Seite).

Diese Überlegungen verstärkt nun auch Italiens Notenbankchef Ignazio Visco mit neuen Aussagen. „Was wir in der Realwirtschaft sehen, ist sicherlich nicht sehr ermutigend“, sagte Visco in einem Interview mit dem Magazin „Politico“. Bei einer Online-Veranstaltung am Donnerstag sagte er zudem: „Es besteht das Risiko einer Rezession.“ Und er fügte hinzu, dass die EZB in diesem Fall „erörtern müsse, was zu tun ist“.

Visco lehnt es ab, explizit zu sagen, ob es im September eine Zinsanhebung um 25 oder 50 Basispunkte geben wird. Die Entscheidung der EZB werde sich auf „die Entwicklung der Preise und der Realwirtschaft stützen, denn die Realwirtschaft beeinflusst die Preise“. Der Italiener gilt im EZB-Rat als klarer Verfechter einer eher lockereren Geldpolitik.

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