Mit oder ohne Trump, der Populismus wird in der US-Politik bleiben

Republikaner werden sich in jedem Fall neu positionieren müssen - Clinton müsste als Präsidentin auf Forderungen des linken Flügels der Demokraten eingehen

Mit oder ohne Trump, der Populismus wird in der US-Politik bleiben

Von Peter De Thier, WashingtonUnabhängig davon, ob Hillary Clinton ihren schrumpfenden Vorsprung ins Ziel retten kann oder Donald Trump doch noch für eine Überraschung sorgt – eines ist sicher: Der Populismus wird ebenso in der Politik bleiben, wie sich die konfrontative Gegnerschaft der beiden politischen Lager halten wird. Das wird Nachwirkungen auf die Politik haben, die auch bei den internationalen Partnern zu spüren sein wird, wenn es etwa um Handels- und Investitionspolitik geht oder um die Steuerpolitik.Der rechtspopulistische Trump dürfte am nächsten Dienstag mindestens 40 Millionen Stimmen sammeln können, was die etablierten Republikaner zu einer Neupositionierung zwingen dürfte. Und bei den Demokraten hat der ehemalige Kandidat Bernie Sanders eine neue soziale Bewegung losgetreten, an der Clinton & Co. ebenfalls nicht vorbeikommen werden. Trump und Sanders haben die beiden Großparteien gezwungen, in künftigen Parteiprogrammen neue Schwerpunkte zu setzen.Andererseits könnte der Stil von Trumps Kampagne zur Folge haben, dass die Republikaner im Senat, womöglich sogar in beiden Kongresskammern, ihre Mehrheiten verlieren werden. Im Falle eines Wahlsiegs der früheren Außenministerin Clinton könnte diese dann vom ersten Tag an auf die Rückendeckung einer demokratischen Mehrheit bauen. Genau daran hatte es Obama seit Jahren gefehlt und ihn daran hindert, durchaus verdienstvolle Gesetzesinitiativen durch den Kongress zu bekommen. Angst vor AusschreitungenZwar gelten die unmittelbaren Sorgen von Beobachtern auf beiden Seiten des politischen Spektrums weniger den politischen Folgen, sondern der durchaus realistisch erscheinenden Möglichkeit, dass eine Niederlage Trumps Ausschreitungen und womöglich soziale Unruhen zur Folge haben könnte. Schließlich propagiert der Republikaner bei seinen ohnehin zur Gewalt neigenden Veranstaltungen seit Wochen den hanebüchenen Mythos, dass der Wahlausgang manipuliert und bereits abgesprochen sei. “Dieser blanke Unsinn und diese Missachtung unserer Demokratie sind schlicht und einfach gefährlich”, schimpft der demokratische Stratege Paul Begala, der Ausschreitungen nicht ausschließen will. Ohnedies drohte der Demagoge, der lediglich versprochen hatte, “das Ergebnis zu akzeptieren, wenn ich gewinne”, mit Gerichtsverfahren von jenen politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Problemen abzulenken, die nach der Wahl im Mittelpunkt der Agenda und auch des Medieninteresses stehen sollten.So oder so haben desillusionierte Wähler auf beiden Seiten des politischen Spektrums ein Machtwort gesprochen. Sie wettern gegen alles – von Globalisierung über das wachsende Wohlstandsgefälle, Polizeigewalt und selbst legale Einwanderung bis hin zu korrupter Wahlkampffinanzierung. Selbst wenn Unruhen ausbleiben, werden daher die Folgen für die nächste Präsidentschaft einschneidend sein. Zunächst würde eine Kräfteverschiebung im Kongress, sollte es dazu kommen, auf dem Kapitolshügel einen Linksruck nach sich ziehen, den nicht einmal die eher moderate Clinton anvisiert hatte. Schließlich wollen Sanders und führende Vertreter seiner populistischen Bewegung, allen voran die ultraliberale Senatorin Elizabeth Warren, sicherstellen, dass eine Präsidentin Clinton jene Versprechen einlöst, die sie als Gegenleistung für die Unterstützung der Linken abgegeben hatte. Dazu zählen eine Kampfansage an jene Wall-Street-Banker, von denen sie fürs eigene Konto Millionen-Honorare kassiert hatte, und die Abschaffung von Studiengebühren sowie Schuldenstreichungen für Studenten. Auch müsste sie die Bereitschaft zu scharfen Sanktionen gegen Handelspartner zeigen, die sich unfaire Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren US-Konkurrenten verschaffen und vor allem in der amerikanischen Industrie tausende Arbeitsplätze zerstört haben. Erstmals seit Mai vor ClintonAber selbst dann, wenn ihr Spitzenkandidat in den letzten paar Tagen das Ruder noch herumreißen sollte – zum ersten Mal seit Mai liegt Trump in einer Umfrage des Senders ABC und der “Washington Post” vor Clinton -, werden die Leidtragenden fraglos die Republikaner sein. Jene Partei, die traditionell für “Big Business” eintritt, Handelsliberalisierung unterstützt und Ausgabenprogramme wie die gesetzliche Rentenversicherung sowie die staatliche Gesundheitsversorgung Medicare zusammenstreichen will, müsste umdenken. Künftig werden nämlich die Anliegen jener Millionen von republikanischen Wählern in die Parteiprogramme einfließen müssen, die Trump während des vergangenen Jahres zu mobilisieren verstand. Sie ignorieren komplexe weltwirtschaftliche Verflechtungen und begeistern sich für Trumps reißerische Schlachtrufe: “Amerikanismus statt Globalismus”, “Fairer statt freier Welthandel”, “Hedgefonds-Manager können sich leisten, Morde zu begehen” oder Trumps liebsten Slogan “Wir werden eine Mauer, die beste und größte Mauer bauen”.Seine Wähler meinen, dass allein die Handelsliberalisierung Ursache für Jobverluste in den USA ist, blenden aber aus, dass Zölle von 45 % gegen chinesische Einfuhren zu höheren Preisen und somit einem erheblichen Kaufkraftverlust führen würden. Den Trump-Wählern verschließt sich auch, dass die amerikanische Landwirtschaft dringend auf Einwanderer aus Mexiko angewiesen ist, die bereit sind, für sehr niedrige Löhne zu arbeiten. Insbesondere werden Republikaner auf eine weitere Ankündigung ihres Kandidaten Rücksicht nehmen müssen: Dieser hat seinen Anhängern versprochen, Social Security und Medicare nicht kürzen, sondern im Gegenteil ausbauen zu wollen: ein wahrhaftiger und vor allem kaum finanzierbarer Paradigmenwechsel für die Konservativen.Die Republikaner wollen ebenso wie der Immobilienunternehmer, der selbsternannte “König der Schulden”, einerseits die Staatsfinanzen wieder ins Lot bringen. Trumps Wähler, die Mehrheit von ihnen auf die dringend reformbedürftigen gesetzlichen Ausgabenprogramme angewiesen, werden republikanische Politiker aber andererseits unter Zugzwang setzen und gerade angesichts demografischer Veränderungen künftig großzügigere staatliche Zuwendungen fordern. Damit wäre gleichzeitig sichergestellt, dass die Staatsschulden von über 19 Bill. Dollar nicht etwa schrumpfen, sondern der Fiskus noch deutlich tiefer in die roten Zahlen rutschen würde. Ein weiterer Auswuchs Trumps demagogischer Parolen, die nicht durchdacht sind und jeder ökonomischen Grundlage entbehren. Schlechter VorboteMöglich ist, dass die Demokraten mit einem Nettogewinn von vier Sitzen den Senat zurückerobern, im Repräsentantenhaus aber weiterhin in der Opposition bleiben werden. So oder so wird Trumps Populismus seine Parteifreunde in Washington zwingen, die Quadratur des Kreises zu meistern, ob in der Außenhandels-, Haushalts- oder Steuerpolitik. Ungeachtet des Wahlergebnisses dürfte damit sichergestellt sein, dass Republikaner über lange Jahre unter sich zerstritten bleiben und in Verhandlungen mit Demokraten alles andere als konsensfähig sein werden. Kein guter Vorbote für die erste Amtsperiode des 45. Präsidenten, ganz gleich, ob auf Obama nun Clinton oder Trump folgt.