Monetärer Eiertanz
Geldpolitik im Dienste der Konjunkturunterstützung ist eine komplizierte Angelegenheit. Mit einfachen Handlungsmaximen und forschem Zupacken wird oft mehr Schaden angerichtet als verhindert, weil Aktivitätsschübe eher bei spekulationsfreudigen Finanzmarktakteuren denn in der Realwirtschaft zünden. So gesehen kann man es Chinas Zentralbank vielleicht nicht verdenken, dass sie auf die akute Konjunkturmisere rund um den Lockdown-Thriller in Schanghai und andere Corona-Restriktionen keine beherzte Antwort geben mag. Vielmehr weiß sich die People’s Bank of China (PBOC) mit allen Regeln der Kunst vor irgendwelchen Maßnahmen zu drücken, die man als ernst gemeinte monetäre Stimuli und aktive konjunkturelle Schützenhilfe bezeichnen könnte.
Am Mittwoch hat man die zu jedem 20. eines Monats gegebene Gelegenheit verstreichen lassen, die Loan Prime Rate (LPR) als Benchmark für Unternehmens- und Hypothekenkreditkosten in der ein- und fünfjährigen Laufzeit nach unten zu schleusen. Tatsächlich sind die im 2019 reformierten Steuerungssystem der Zentralbank als Quasi-Leitzins fungierenden LPR-Sätze trotz eines seit Mitte 2021 laufenden Konjunkturabschwungs kaum verändert worden.
Im Dezember und Januar kam die einjährige LPR in zwei Trippelschritten um insgesamt 15 Basispunkte auf nunmehr 3,7% herunter. Nun wird daraus allerdings kein Fortsetzungsroman, weil Chinas Wirtschaft mit der politisch verordneten Lockdown-Misere samt Lieferkettenstörungen und Konsumeinbruch vor Herausforderungen steht, denen mit Zinslockerung kaum beizukommen ist. Das Problem sind nicht zu hohe Kreditkosten, die gesunde Unternehmen vom Darlehensantrag für wachstumsverheißende Investitionen abhalten, sondern von der Corona-Politik ins Elend gestürzte Betriebe, die Überbrückungshilfe zum Überleben brauchen.
Der Luxus, mit einer kleinen Zinsgeste wenigstens die Stimmung am Aktienmarkt aufzuhellen, verbietet sich aus anderen Gründen. Die Nulltoleranzpolitik vergrault ausländische Investoren und fördert Kapitalabzug. Im Zuge der US-Zinswende verlieren chinesische Staatsanleihen den gewohnt kräftigen Renditeaufschlag zu US-Pendants und werden für globale Investoren zunehmend unattraktiv. Prompt beginnt der Yuan gegenüber dem Dollar zu schwächeln. Jede weitere Zinslockerung auf chinesischer Seite würde die Sache schlimmer machen und die Kapitalflucht anheizen. Auch deshalb kann die PBOC an der Zinsfront derzeit nur von einem Bein aufs andere schaukeln, aber nicht wirklich zur Sache gehen.