Fabrizio Pagani

Muzinich-Stratege nimmt Italiens Regierung in die Pflicht

Fabrizio Pagani, Chefvolkswirt und Kapitalmarktstratege beim Assetmanager Muzinich, fordert Rom zum Handeln auf. Auch zu Hilfen gegen die hohen Energiepreise und Zinserhöhungen der EZB äußert er sich.

Muzinich-Stratege nimmt Italiens Regierung in die Pflicht

bl Mailand

Nach der Wiederwahl Sergio Mattarellas zum Präsidenten Italiens und der Bestätigung Mario Draghis als Premierminister sieht Fabrizio Pagani, Global Head of Economics und Kapitalmarktstratege beim New Yorker Asset Manager Muzinich, sein Heimatland auf einem guten Weg. „Kontinuität ist der Weg vorwärts. Es wäre nicht gut gewesen, wenn es eine völlig andere Konstellation gegeben hätte“, sagt der frühere Büroleiter von Ex-Finanzminister Pier Carlo Padoan und OECD-Ökonom im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Doch Pagani sieht auch Anlass zur Besorgnis. „Das Reformprogramm für 2022 ist recht umfangreich. Die Regierung muss sich da sehr stark engagieren. Es genügt nicht, Gesetze und Dekrete zu verabschieden. Man muss das auch umsetzen.“

 Italiens Bruttoinlandsprodukt ist 2021 stark gewachsen, um 6,5%. Für dieses Jahr korrigieren Experten die Prognosen wegen der geopolitischen Unsicherheiten, der steigenden Energiepreise und generell der Inflation nach unten. Dennoch gehen der Internationalen Währungsfonds und die Banca d’Italia von einem Wachstum von um die 4% aus. Pagani verweist darauf, dass Italien mehr als andere Länder von Energieimporten ab­hängt. „Außerdem ist Italien eine stark verarbeitende Wirtschaft und das schafft Probleme für die Unternehmen.“ Grundsätzlich sei der produzierende Sektor des zweitgrößten Industrielands der EU aber stabil: „Die Auftragsbücher sind voll. Die Nachfrage vor allem aus dem Ausland ist sehr hoch.“ 2021 exportierte Italien Waren und Dienstleistungen im Umfang von deutlich mehr als 500 Mrd. Euro, ein Plus von rund 18%.

Spielraum im Haushalt

„Die hohen Energiepreise schmälern aber das Ergebnis“, stellt Pagani fest. „Der Staat muss helfen und die Hilfen zur Bekämpfung der hohen Energiepreise mit den anderen europäischen Regierungen absprechen“, findet Pagani. Ob auch ein Nachtragshaushalt notwendig ist, wie ihn etwa die rechte Regierungspartei Lega fordert, müsse die Regierung entscheiden. „Es gibt Spielraum, weil 2021 besser war als erwartet und damit die öffentlichen Finanzen in besserer Verfassung sind.“ Dass das Gewicht des italienischen Staates zuletzt deutlich gewachsen ist, etwa bei Telecom Italia, Autostrade per l’Italia, dem Zahlungsdienstleister Nexi, bei Monte dei Paschi, dem Stahlwerk von Taranto oder der Volksbank von Bari, war nach Ansicht Paganis „in der Pandemie unvermeidlich. Rom sollte sich schließlich wieder zurückziehen“, findet er.

Wie die meisten italienischen Ökonomen und Politiker lehnt auch Pagani Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) ab. „Die EZB hat uns eine Reihenfolge und einen Zeitrahmen vorgegeben, der eingehalten werden sollte.“ „Mittelfristig“ hält er eine Anhebung der Zinssätze im Rahmen des Normalisierungsprozesses der Geldpolitik für unvermeidlich.

Im Gleichklang mit den Positionen der meisten Regierungen Südeuropas befindet sich Pagani auch im Hinblick auf den europäischen Stabilitätspakt. „Eine Reform ist unvermeidlich, auch wenn das komplex ist. Aber wir brauchen Raum für Investitionen in Nachhaltigkeit und Digitalisierung.“ Pagani plädiert aber für eine strengere Überwachung der nach den neuen Vorschriften zulässigen Investitionen. Angesichts der derzeitigen politischen Unsicherheiten um die Ukraine fügt er einen weiteren Aspekt hinzu: „Europa muss in den nächsten Jahren mehr Geld für seine Sicherheit ausgeben.“

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