Nagel warnt vor zu frühem Ende der Zinserhöhungen
ms Frankfurt
Die Europäische Zentralbank (EZB) darf laut Einschätzung von Bundesbankpräsident Joachim Nagel keinesfalls zu früh aufhören, ihre Leitzinsen zu erhöhen. Er werde sich „weiter dafür einsetzen, dass wir als EZB-Rat keinesfalls zu früh nachlassen, dass wir die geldpolitische Normalisierung weiter hartnäckig vorantreiben – auch wenn unsere Maßnahmen die Wirtschaftsentwicklung dämpfen“, sagte Nagel am Dienstag beim Bundesbank-Symposium „Bankenaufsicht im Dialog“ in Frankfurt. Er untermauerte auch seine Forderung, rasch mit dem Abbau der EZB-Bilanz zu beginnen.
Nachdem die EZB ihre Leitzinsen unlängst zum zweiten Mal in Folge um 75 Basispunkte und damit seit Juli um beispiellose 200 Basispunkte angehoben hat, richtet sich der Fokus immer stärker darauf, wie weit und wie lange die Zinsen noch steigen. Die EZB steckt da in einem gewissen Dilemma zwischen Rekordinflation und Rezessionsangst. Im EZB-Rat gehen die Meinungen denn auch auseinander. An den Märkten haben zuletzt Erwartungen zugenommen, dass die EZB wegen der Konjunkturschwäche bereits im Frühjahr 2023 aufhört, die Zinsen anzuheben.
Bundesbankchef Nagel warnt nun vor einem voreiligen Ende. „Je länger die Inflation hoch bleibt, desto höher ist das Risiko, dass die längerfristigen Inflationserwartungen steigen“, sagte er. Für die Geldpolitik wäre es dann ungleich schwieriger, Preisstabilität wiederherzustellen. „Und damit stiege das Risiko, dass die Inflation sich mittelfristig auf hohem Niveau verfestigt“, so Nagel. Neben Zinserhöhungen müsse und werde der EZB-Rat auch die hohen Anleihebestände in den Blick nehmen. Diese belaufen sich auf rund 5 Bill. Euro.
Am Montag hatte Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau gesagt, dass die EZB ihre Leitzinsen so lange anheben solle, bis der zugrunde liegende Preisdruck seinen Höhepunkt erreicht habe (vgl. BZ vom 8. November). Damit hatte er signalisiert, dass die EZB-Leitzinsen bis weit ins nächste Jahr hinein steigen könnten. Bei der Gesamtinflation wird ab dem Jahreswechsel ein allmählicher Rückgang erwartet. Bei der Kernrate ohne Energie und Lebensmittel könnte die Trendwende dagegen erst später einsetzen.
Mit Blick auf den Abbau der EZB-Bilanz sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Dienstag, dass die EZB diesen im kommenden Jahr starten werde. „Wir werden damit früher oder später beginnen, ganz sicher 2023“, sagte der Stellvertreter von EZB-Präsidentin Christine Lagarde im Interview mit „Politico“. Über die Ausgestaltung und den Zeitplan werde die EZB im Dezember beraten.Die EZB werde aber „mit viel Umsicht und Vorsicht vorgehen“, sagte er.