Neue EZB-Anleihekäufe bewegen die Gemüter
ms Frankfurt
Das avisierte neue EZB-Programm gegen ein Auseinanderdriften der Euro-Staatsanleiherenditen sorgt weiter für Diskussionen und Streit. Frankreichs Zentralbankchef François Villeroy de Galhau sagte am Donnerstag, dass das neue Instrument sehr kraftvoll sein werde – wenige Tage, nachdem sich Bundesbankpräsident Joachim Nagel sehr kritisch und warnend geäußert hat. Unterdessen kritisierte der Berliner Jurist und Finanzwissenschaftler Markus Kerber, dass der Versuch, Zinsspreizungen zu verhindern, „eindeutig“ gegen das EZB-Mandat verstoße. Das nährt Erwartungen, dass es in Deutschland rasch Klagen gegen ein neues Instrument geben dürfte.
Die EZB hatte vor gut drei Wochen nach einer Krisensitzung wegen der zuvor stark gestiegenen Euro-Renditen und -Renditespreads angekündigt, „ein neues Anti-Fragmentierungsinstrument“ zu entwickeln. Sie will damit verhindern, dass die Anleiherenditen zu weit auseinanderlaufen und Staaten wie Italien in Finanzierungsschwierigkeiten geraten. Der Anstieg der Spreads hatte Erinnerungen an die Euro-Schuldenkrise vor zehn Jahren geweckt. Ein solches Instrument ist umstritten – wie Nagels Warnschuss klar gezeigt hat.
EZB-Ratsmitglied Villeroy de Galhau sagte nun: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir ein wirksames Instrument zum Schutz vor ungerechtfertigter Fragmentierung anbringen werden.“ Es gehe nicht darum, dieser oder jener Regierung aus politischen Erwägungen heraus zu helfen, sagte er der Zeitung „Les Echos“. Aber: „Damit die Geldpolitik wirksam ist, muss sie bei allen Wirtschaftsakteuren im Euroraum ankommen.“. Er versicherte, dass die neue Maßnahme so groß und flexibel sein werde, dass sie nicht wirklich eingesetzt werden müsse.
Bundesbankchef Nagel hatte vergangene Woche gesagt, dass neue EZB-Anleihekäufe zur Unterstützung hoch verschuldeter Euro-Länder nur in absoluten Ausnahmesituationen zu rechtfertigen seien und ein neues Programm sehr enge Grenzen brauche. EZB-intern firmiert das neue Programm aktuell unter dem Namen Transmission Protection Mechanism (TPM). Zu große Zinsdifferenzen sehen viele EZB-Obere als Fragmentierung und damit als Hindernis für die einheitliche Wirkung – Transmission – der Geldpolitik.
„Sollte es dazu kommen, dass die EZB unter dem Vorwand einheitlicher Geldpolitik durch erneute Anleihenkäufe Zinsspreizungen verhindert, würde sie nicht nur den Wettbewerb verfälschen, sondern auch ihr Mandat eindeutig verletzen“, erklärte der bekannte EZB-Kritiker Kerber am Donnerstag in einer Stellungnahme. Für den Fall habe das Bundesverfassungsgericht erklärt, dass die Bundesregierung „nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet (sei), den Austritt aus der Währungsunion zu überprüfen“. „Beschließt die EZB ein Zinssteuerungsinstrument, das zum gegebenenfalls unbegrenzten Aufkauf von Anleihen bestimmter Problemländer ermächtige, so stünde dies in krassem Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“, so Kerber. In der Vergangenheit hat Kerber in Karlsruhe gegen EZB-Anleihekäufe geklagt.
Das am Donnerstag veröffentlichte Protokoll zur Zinssitzung von Mitte Juni – knapp eine Woche vor der Krisensitzung – enthielt keine neuen Details zum geplanten Programm. Das Protokoll bekräftigte aber die Unzufriedenheit des EZB-Rats mit der zu hohen Inflation sowie dem Inflationsausblick und bekräftigte den Willen zur Zinswende. Für die Sitzung am 21. Juli hat der EZB-Rat eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte angekündigt. Einige Ratsmitglieder waren im Juni gleich für 50 Punkte, so das Protokoll. Die Option scheint zumindest nicht ganz vom Tisch.