Koalitionsvertrag vorgestellt

Neue Regierung lässt sich Zeit mit der Entlastung der Unternehmen

Union und SPD haben sich auf einen gut 140 Seiten starken Koalitionsvertrag verständigt. Unternehmen müssen danach noch bis 2028 auf Steuersenkungen warten.

Neue Regierung lässt sich Zeit mit der Entlastung der Unternehmen

Neue Regierung lässt sich Zeit mit Entlastung der Wirtschaft

Unternehmenssteuern sinken erst 2028 – Klingbeil wird wohl Finanzminister

ahe Berlin

Gut sechs Wochen nach der Bundestagswahl haben sich CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. „Deutschland bekommt eine handlungsfähige und eine handlungsstarke Regierung", betonte der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz am Mittwoch in Berlin. „Vor uns liegt ein starker Plan, mit dem wir unser Land gemeinsam wieder nach vorn bringen können.“

Soli bleibt

Bei der Entlastung der Wirtschaft sendet das gut 140 Seiten starke Vertragswerk allerdings unterschiedliche Signale: Für die Jahre 2025, 2026 und 2027 soll demnach auf Ausrüstungsinvestitionen eine degressive Abschreibung von 30% gelten. Damit können Unternehmen jährlich einen höheren Anteil ihrer Investitionen abschreiben als bisher. Die Körperschaftssteuer soll für sie aber erst danach, also zum 1. Januar 2028, gesenkt werden – in fünf jährlichen Trippelschritten um je einen Prozentpunkt. Steuererhöhungen soll es den Vereinbarungen nach nicht geben. Allerdings wird der Solidaritätszuschlag in seiner jetzigen Form vorerst beibehalten. Hier hatte die Wirtschaft im Vorfeld vehement auf eine Abschaffung gedrungen.

Erleichterungen verspricht die künftige Koalition nun aber an anderer Stelle: Das seit Anfang 2023 geltende deutsche Lieferkettengesetz soll abgeschafft und durch eine andere Regelung ersetzt werden. Die Berichtspflicht nach dem Gesetz werde „unmittelbar abgeschafft und entfällt komplett“, hieß es im Koalitionsvertrag. In den kommenden Jahren soll allerdings ein EU-Lieferkettengesetz in Kraft treten.

Höherer Mindestlohn

Erleichtern will die Koalition auch die Gründung von Unternehmen: Im Rahmen einer Start-up-Förderung sollen Verfahren beim Notar und digitale Beurkundungen vereinfacht werden. Vorgesehen ist ein automatischer Datenaustausch zwischen Notariat, Finanzamt und Gewerbeamt. Wer ein Unternehmen gründen möchte, soll das innerhalb von 24 Stunden über eine gemeinsame digitale Plattform tun können.

Wie bereits im Sondierungspapier von Union und SPD festgehalten, sollen Wochen- statt Tageshöchstarbeitszeiten sowie eine steuerfreie Aktivrente eingeführt werden, um Anreize für längere Arbeitszeit über das Renteneintrittsalter hinauszugeben. Auch Überstunden sollen mit steuerlichen Anreizen gefördert werden. Das aktuelle Rentenniveau von 48% soll zugleich gesetzlich bis 2031 festgeschrieben werden. Die SPD setzte sich auch beim Vorhaben durch, den gesetzlichen Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben.

Mütterrente und Agrardiesel

Der Entwurf des Koalitionsvertrags enthält ungeachtet der scharfen Kritik der vergangenen Wochen auch die Mütterrente, die dauerhafte Reduzierung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie sowie die Agrardiesel-Subventionierung. Geplant ist auch eine steuerliche Förderung von Elektroautos sowie Senkungen der Netzentgelte und der Stromsteuer.

SPD-Chef Lars Klingbeil verwies allerdings darauf, dass viele Vorhaben noch unter einem Finanzierungsvorbehalt stünden. Klingbeil selbst könnte Finanzminister und Vizekanzler der künftigen Regierung werden. Dies sieht eine vorläufige Kabinettsliste vor, die der Börsen-Zeitung vorliegt. Nach der wird CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Wirtschaftsminister. Ein neues Digitalministerium, in dem auch das Thema Staatsmodernisierung gebündelt wird, könnte demnach an die hessische CDU-Politikerin Christina Sinemus gehen. Die Personalien bestätigten weder Klingbeil noch Merz. Sie wollen erst Zustimmung ihrer Parteien zu dem Vertrag. Eine Kanzlerwahl ist für Anfang Mai vorgesehen.

Grafik Nr. 108811, Hochformat 60 x 115 mm, Geplante Ressortaufteilung unter CDU, CSU und SPD; Grafik: A. Brühl, Redaktion: B. Schaller

Laut Koalitionsvertrag sollen SPD und CDU jeweils sieben Ministerien erhalten, die CSU drei. Die CDU will am 28. April auf einem Kleinen Parteitag über den Vertrag abstimmen. Die SPD will noch ihre Mitglieder befragen. Erst danach soll die Besetzung der einzelnen Ressorts offiziell benannt werden.

Scharfe Kritik von der Opposition

Von den künftig nicht an der Regierung beteiligten Parteien kam scharfe Kritik an dem Koalitionsvertrag. Für junge Menschen sei im Koalitionsvertrag nichts enthalten in puncto sichere Rente oder soziale Sicherungssysteme, Innovationen oder Bildung, monierte die Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner. Vieles werde in Kommissionen vertagt. Zudem sei das Regierungsprogramm finanziell nicht durchgerechnet und jeder Punkt stehe unter dem Finanzierungsvorbehalt. „Diese Koalition hat Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh.“

Der FDP-Politiker Christian Dürr, der Vorsitzender seiner Partei werden will, warf Union und SPD „Mutlosigkeit“ vor. Der versprochene Politikwechsel bleibe aus, sagte er der dpa. AfD-Parteichefin Alice Weidel sprach von einer „Kapitulationsurkunde" von Merz. „Das Papier trägt durchgehend die Handschrift des Wahlverlierers SPD, gespickt mit Verbeugungen und Kotaus vor den Grünen“. Und auch BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht sah keinen Grund zum Beifall: „Der Koalitionsvertrag gibt keine Antwort auf Wirtschaftskrise und Handelskrieg“, kritisierte sie.