Neue Signale zum EZB-Zinskurs
ms Frankfurt
Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte ihre Leitzinsen so lange anheben, bis der unterliegende Preisdruck im Euroraum seinen Höhepunkt erreicht hat: Das hat Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau in einem Zeitungsinterview gesagt. Das Tempo der Zinserhöhungen könnte dabei aber künftig gedrosselt werden, so der Notenbanker. Villeroy de Galhau gilt eher als „Taube“ im EZB-Rat, der oft Diskussionen im Rat abbildet und künftige Kompromisse signalisiert.
Die Aussagen sind sehr bemerkenswert: Zum einen geben sie grundsätzlich mehr Einblick in das Denken des EZB-Rats im Moment – mit dem starken Fokus auf der zugrundeliegenden Inflation. Zum anderen signalisieren sie konkret, dass die Zinserhöhungen selbst dann weitergehen könnten, wenn die Gesamtrate der Inflation zum Jahreswechsel ihren Höhepunkt überschreiten sollte. Seit Juli hat die EZB ihre Leitzinsen nun um 200 Basispunkte erhöht – so aggressiv wie nie. Zugleich wächst aber die Rezessionswahrscheinlichkeit.
„Solange die zugrundeliegende Inflation noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat, sollten wir die Zinsen weiter heraufsetzen“, sagte Villeroy de Galhau der „Irish Times“. Mit der zugrundliegenden Inflation wird zumeist auf die Kerninflation ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise abgestellt. Diese Kernrate war im Oktober auf 5,0% geklettert, während die Gesamtrate den Rekordwert von 10,7% erreichte.
Bei der Gesamtrate wird nicht zuletzt wegen Basiseffekten ab dem Jahreswechsel ein allmählicher Rückgang erwartet. Villeroy sieht die Gesamtinflation in der ersten Jahreshälfte 2023 ihren Höhepunkt erreichen. Bei der Energiekomponente sei „wohl ab dem nächsten Frühjahr“ mit einem Rückgang zu rechnen. Bei der Kernrate könnte der Umkehrpunkt nach verbreiteter Erwartung aber erst später erreicht werden. Die Aussagen signalisieren also, dass die EZB-Leitzinsen bis weit ins nächste Jahr hinein steigen könnten.
Villeroy de Galhau stellte mehrere weitere Zinserhöhungen im nächsten Jahr in Aussicht. Die EZB könnte nach seiner Einschätzung jedoch zu einem langsameren Tempo als bei den vergangenen Sitzungen übergehen. Die Zinsen hätten schließlich bereits ein Niveau erreicht, das die Wirtschaft nicht mehr stimuliere.