Tarifpolitik

Neuer Anlauf zum Tariftreuegesetz

Der Druck auf die Unternehmen, künftig wieder verstärkt „nach Tarif“ zu bezahlen, steigt. Ein Gesetz soll öffentliche Aufträge an diese Bedingung knüpfen. Mit den neuen Multi-Milliarden-Finanzpaketen gibt es „gute Argumente“ für eine Abkehr von der Tarifflucht.

Neuer Anlauf zum Tariftreuegesetz

Neuer Anlauf für Tariftreuegesetz

Nur die Hälfte der deutschen Jobs mit Tarifvertrag – Finanzpakete als Argumentationshilfe?

lz Frankfurt

Rund die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland ist in einem Betrieb mit Tarifvertrag tätig. 2024 waren das 49% der Beschäftigten, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. Im Jahr 2000 waren es allerdings noch mehr als zwei Drittel der Unternehmen. Seither verringerte sich ihre Zahl – auch weil immer mehr Unternehmer Mitglied in Arbeitgeberverbänden „ohne Tarifbindung“ (OT) geworden sind.

Zuletzt waren wieder Bestrebungen im Gange, die „Tariftreue“ durch ein eigenes „Bundestariftreuegesetz“ zu erzwingen. Unter der Ampelkoalition hatte sich die FDP dagegen gewehrt. Nachdem sie die Koalition verlassen hatte, kam es immerhin zu einem Gesetzentwurf, der aber nicht mehr weiter verhandelt wurde. Nun steht die Forderung im Sondierungspapier der neuen Koalition. „Unser Ziel ist eine höhere Tarifbindung“, heißt es darin. „Tariflöhne müssen wieder die Regel werden und dürfen nicht die Ausnahme bleiben. Deswegen werden wir ein Bundestariftreuegesetz auf den Weg bringen.“ Entscheidender Hebel, um wieder mehr Unternehmen zur Tariftreue zu zwingen, sind öffentliche Aufträge, die mit den neuen Finanzpaketen nun noch mehr Bedeutung haben. Aufträge sollen danach nur an Unternehmen gehen dürfen, die ihre Mitarbeiter „nach Tarif“ bezahlen.

Öffentliche Aufträge als Hebel

Gewerkschaften begrüßen ein solches Tariftreuegesetz. „Ohne Tarifverträge verdienen die Beschäftigten deutlich weniger, arbeiten erheblich länger und haben insgesamt schlechtere Arbeitsbedingungen“, argumentiert Thorsten Schulten, Tarifexperte der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Einer Studie seines Instituts zufolge würden Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben im Mittel derzeit wöchentlich 53 Minuten länger arbeiten und trotzdem gut 10% weniger verdienen als Beschäftigte in Unternehmen mit Tarifbindung.

Zwischen den einzelnen Branchen bestehen deutliche Unterschiede bei der Tarifbindung. Am höchsten ist sie im Bereich „Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung“. Es folgen „Energieversorgung“ und „Erziehung/Unterricht“. Schlusslichter sind „Land- und Forstwirtschaft, Fischerei“, „Kunst, Unterhaltung und Erholung“ sowie „Grundstücks- und Wohnungswesen“. In Bremen, dem Saarland und in NRW ist die Tarifbindung überdurchschnittlich, in Sachsen, Berlin, Thüringen und Schleswig-Holstein fällt sie unterdurchschnittlich aus.

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