Nutzloses, aber wichtiges Gejammer
Nutzloses, aber wichtiges Gejammer
Jährlich wird über den Gender Pay Gap berichtet und geklagt, es ändert sich aber letztlich − so gut wie nichts.
Von Alexandra Baude, Frankfurt
Ein Wunder ist geschehen: Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen ist 2024 um sage und schreibe 2 Prozentpunkte geschrumpft und damit so kräftig wie nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2006. Diese Feststellung des Statistischen Bundesamts (Destatis) ist viel, aber sicherlich kein Grund zur Freude.
Historisch großer Sprung
Abgesehen von dem Umstand, dass überhaupt Frauen für dieselbe Arbeit schlechter als Männer bezahlt werden, zeigt der Blick in die Historie, warum es das nicht ist: 2006 lag der geschlechterspezifische Verdienstabstand noch bei 23%. Von 2020 bis 2024 verharrte er bei 18%. Jetzt sind es 16% bzw. 4,10 Euro brutto die Stunde. Geht es in dem Tempo weiter, dauert es bis in die erste Hälfte der 2070er Jahre hinein, dass der Equal Pay Day auf den 1. Januar fällt. Dieser Tag gibt an, wie viele Tage Frauen im Schnitt zusätzlich arbeiten müssten, um das durchschnittliche Gehalt von Männern zu erreichen. In diesem Jahr fällt er übrigens auf den 7. März. Dass der Equal Pay Day im vergangenen Jahr am 6. März war, liegt daran, dass 2024 ein Schaltjahr war.
Ziel weit verfehlt
Weitere Argumente, warum das jährliche Gejammer über den Verdienstabstand wichtig, bislang aber leider nutzlos war, gefällig? Der Indikator gehört in der Rubrik Geschlechtergleichheit zum Datenkranz der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Und hier lässt sich nachlesen, dass die Bundesregierung ihr „Ziel, bis zum Jahr 2020 den Verdienstabstand auf 10% zu verringern und dieses bis 2030 beizubehalten“, nun, freundlich gesagt, weit verfehlt. Zudem zeigt der bereinigte Gender Pay Gap, dass Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien wie Männer 2024 so wie auch im Vorjahr im Schnitt 6% weniger pro Stunde verdienten. 2006 waren es übrigens noch 8%, 2014 aber bereits 6%.
Europaweiter Vergleich bringt Frust
Auch der Blick in die europäischen Nachbarländer fällt wenig erfreulich aus. Eurostat bietet hier zwar nur Daten bis 2022, dies zeigt aber dennoch, dass hierzulande der Lohnabstand deutlich überdurchschnittlich ausfällt. So beträgt der Gender Pay Gap für die 27 EU-Mitgliedsländer 12,7%. Nur in Estland (21,3%), Österreich (18,4%) und Tschechien (17,9%) ist der geschlechtsspezifische Verdienstunterschied größer als in Deutschland (17,7%).
Die schlichten Zahlen täuschen zudem darüber hinweg, dass es sich beileibe um keine kleine Ungerechtigkeit handelt. Denn es wirkt sich über die Lebensqualität hinweg auch auf das Armutsrisiko und das Rentengefälle der Frauen aus. Ob nun die EU-Entgelttransparenzrichtlinie, die in Deutschland bis Mitte 2026 umgesetzt werden muss, wirklich hilft, ist ungewiss. Denn zum einen bedarf es einer gewissen Betriebsgröße, damit sie zum Tragen kommt, andererseits spielt die Berufswahl immer noch eine gewichtige Rolle.
Indiz für geänderte Branchen- und Berufswahl
Hier zeigen die Destatis-Zahlen einen kleinen Fortschritt: So ging der Berufs- und branchenbedingte Anteil an der Verdienstlücke von 24% (1,06 Euro) im Jahr 2023 auf 21% (0,87 Euro) zurück. „Das könnte darauf hindeuten, dass Frauen inzwischen verstärkt in besser bezahlten Berufen und Branchen arbeiten“, erklärten die Statistiker. Den Rückgang des unbereinigten Lohnabstands führt Destatis auf den stärkeren Anstieg der Bruttomonatsverdienste der Frauen um rund 8% auf 2.851 Euro zurück. Männer erhielten mit 4.078 Euro nur 5% mehr als 2023.
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