Weltkonjunktur

OECD drängt zu Finanzdisziplinen und Reformen

Die Industriestaatenorganisation mahnt zu mehr finanzpolitischer Disziplin. Denn Verteidigungsausgaben, Klimawandel und die alternde Bevölkerung lassen den Ausgabendruck steigen, so dass die ohnehin hohe Staatsverschuldung noch zu wachsen droht.

OECD drängt zu Finanzdisziplinen und Reformen

Weltkonjunktur

Finanzdisziplin und Reformen gefragt

OECD senkt erneut Prognosen für Deutschland − Stärkstes Wachstum in Indien − Sorge wegen hoher Staatsverschuldung

Zyklische und strukturelle Probleme wie das schwache verarbeitende Gewebe und das flaue China-Geschäft belasten das Wachstum in Deutschland. Die Experten der OECD senken deshalb die Aussichten leicht, glauben jedoch, dass die Bundesrepublik 2024 gerade noch an einer Rezession vorbeischrammen wird.

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Gesche Wüpper, Paris

Die Zeit ist reif für mehr finanzpolitische Disziplin und strukturelle Reformen, findet die Industriestaatenorganisation OECD. Denn die globale Wirtschaft befindet sich ihrer Ansicht nach an einem Wendepunkt, da die Inflation wieder zurückgeht, die Handelsbeziehungen wieder zunehmen und sich das Wachstum als widerstandsfähig erweist. „Das Wachstum könnte aber besser sein“, erklärte OECD-Chefökonom Álvaro Santos Pereira bei der Vorstellung des Zwischen-Wirtschaftsausblicks am Mittwoch in Paris. „Wir brauchen mehr Investitionen.“

Dabei helfen könnten seiner Ansicht nach ambitionierte Reformen. Die meisten Länder hätten zuletzt keine mehr durchgeführt, sagte Pereira. „Es ist Zeit für einen Richtungswechsel, um zurück zu Reformen zu gehen.“ Denn Daten der OECD zeigen die positiven mittel- und langfristigen Auswirkungen von Produktmarktreformen. Auch im Dienstleistungssektor gebe es angesichts hoher Hürden für den Wettbewerb Handlungsbedarf. Deutschland sei einer dieser Märkte, wo strukturelle Reformen essenziell seien, um Investitionen anzukurbeln, meint der Chefökonom. Die OECD hat die Wachstumsprognosen für Deutschland für 2024 und 2025 um je 0,1% gesenkt. In diesem Jahr dürfte Deutschland mit einem Miniplus von 0,1% knapp der Rezession entkommen, nächstes Jahr dann 1% zulegen. „Meiner Meinung nach gibt es zyklische und strukturelle Probleme“, erklärte Pereira. Das verarbeitende Gewerbe und die Exportnachfrage aus China schwächeln. Gleichzeitig läuft der Konsum nicht so gut, weil sich Privathaushalte und Unternehmen angesichts der im Vergleich zu anderen Ländern relativ restriktiven Fiskalpolitik zurückhalten.

Die Bundesrepublik ist eine der Negativausnahmen der globalen Konjunktur, die die OECD insgesamt als robust und widerstandsfähig einschätzt. Die Organisation erwartet, dass sich das weltweite Wachstum angesichts abnehmender Inflation, steigender Reallöhne und einer weniger restriktiven Geldpolitik stabilisieren wird. Allerdings warnt Pereira auch vor anhaltenden signifikanten Risiken, allen voran geopolitische Spannungen. „Eine Eskalation im Nahen Osten dürfte sicher Folgen haben“, erklärte er.

Indien und Indonesien als Wachstumslokomotiven

Insgesamt seien die Aussichten aber relativ günstig, sagt Pereira. Entsprechend hat er die Prognosen für dieses und nächstes Jahr bis auf einige Ausnahmen nahezu unverändert gelassen. 2024 dürfte die weltweite Wirtschaft mit 3,2% etwas besser als noch im Mai erwartet wachsen, genau wie 2025. Die Eurozone dagegen dürfte dieses Jahr nur 0,7% zulegen. Statt 1,5% wie noch im Mai wird für 2025 inzwischen nur noch ein Plus von 1,3% erwartet, wobei die Verbesserung der Reallöhne und mehr zur Verfügung stehende Kredite die Aktivität stützen dürften. Dagegen dürfte die argentinische Wirtschaft 2024 um 4% schrumpfen, die japanische um 0,1%. Die stärksten Wachstumsraten dürften Indien mit fast 7% und Indonesien mit über 5% in beiden Jahren verbuchen, gefolgt von China mit 4,9% und 4,5%. Dort könnten die neuen politischen Anreize durch das gedämpfte Verbraucherverhalten und die Korrektur der Immobilienbranche zunichtegemacht werden, meint Pereira. Innerhalb der Eurozone weist Spanien mit einem Plus von 2,8% und 2,2% das stärkste Wachstum aus, deutlich mehr als zuvor erwartet.

Ausgabendruck steigt weiter

Die Inflation dürfte laut OECD Ende 2025 in den meisten G20-Ländern wieder den Zielvorgaben entsprechen. Zinssenkungen sollten weitergehen, empfiehlt Chefökonom Pereira. „Die Geldpolitik sollte aber vorsichtig bleiben.“

Die hohe Staatsverschuldung gehört zu den Problemen, die ihm die größten Sorgen bereiten. „Ohne nachhaltige Maßnahmen werden künftige Schuldenlasten weiter signifikant steigen“, warnt er. Denn der Ausgabendruck steigt. „Der Ausgabendruck für Verteidigung, wegen Klimawandel und der alternden Bevölkerung steigt“, erklärt Pereira. Dadurch verringere sich der Spielraum erheblich, auf künftige Schocks zu reagieren.

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