Weltwirtschaft

OECD erwartet 1 Prozentpunkt weniger Wachstum

Die Industrieländerorganisation OECD beziffert als erste internationale Organisation die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs für die Weltwirtschaft.

OECD erwartet 1 Prozentpunkt weniger Wachstum

ba Frankfurt

Der Ukraine-Krieg wird nach Einschätzung der Indus­trieländerorganisation OECD erhebliche Folgen für Konjunktur und Inflation in der Welt haben. Das Weltwirtschaftswachstum werde dieses Jahr mehr als 1 Prozentpunkt niedriger ausfallen als die bislang prognostizierten 4,5%, die Inflation um 2,5 Prozentpunkte steigen. Die Auswirkungen des Schocks würden sich von Region zu Region unterscheiden, wobei die europäischen Volkswirtschaften am stärksten betroffen seien – insbesondere jene mit einer gemeinsamen Grenze zu Russland oder der Ukraine.

Wegen der schwächeren Handels- und Investitionsbeziehungen zu Russland seien die Auswirkungen auf die fortgeschrittenen Volkswirtschaften im asiatisch-pazifischen Raum und auf dem amerikanischen Kontinent geringer. Deren Wachstum werde aber immer noch durch die schwächere globale Nachfrage und die Auswirkungen der höheren Preise auf die Einkommen und Ausgaben der Haushalte beeinträchtigt. Unter den aufstrebenden Volkswirtschaften dürfte der Wachstumseinbruch dort besonders heftig ausfallen, wo viele Rohstoffe importiert werden.

Die Rolle Russlands und die der Ukraine sind der Analyse zufolge mit einem Anteil von zusammen etwa 2% am weltweiten Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen und einem ähnlichen Anteil am gesamten Welthandel zwar gering, und auch die finanziellen Verflechtungen mit anderen Ländern seien im Allgemeinen bescheiden. Dennoch hätten die beiden Länder als wichtige Lieferanten auf einer Reihe von Rohstoffmärkten einen wichtigen Einfluss auf die Weltwirtschaft. Laut OECD entfallen auf Russland und die Ukraine zusammen etwa 30% der weltweiten Weizenexporte, 20% der Mais-, Mineraldünger- und Erdgasexporte und 11% der Ölexporte. „Die durch den Krieg ausgelöste Angebotsverknappung bei Rohstoffen verschärft die pandemiebedingten Lieferstörungen. Dies wird die Verbraucher und Unternehmen geraume Zeit belasten“, sagte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann.

Ein wesentliches wirtschaftliches Risiko bestehe darin, dass die Energieexporte aus Russland in die EU vollständig ausfallen könnten. Bei einer dauerhaften Rückkehr zu Preisen wie zu Kriegsbeginn würde die Inflation in Europa um weitere 1,25 und somit insgesamt mehr als 3,5 Prozentpunkte steigen. Das europäische Wachstum würde sich der Analyse zufolge dann um mehr als 0,5 Prozentpunkte verringern. Die OECD empfiehlt daher, dass die OECD-Länder längerfristig ihre Gesamtabhängigkeit von der Einfuhr fossiler Brennstoffe verringern, „indem sie geeignete Anreize zur Abkehr von fossilen Brennstoffen schaffen und erheblich in saubere Energie und Energieeffizienz investieren“. In Europa könne ein besserer Verbund der nationalen Stromnetze die Energiekosten senken und die Versorgungssicherheit erhöhen. Die anziehenden Preise für Metalle könnten der OECD zufolge in vielen Wirtschaftszweigen für Probleme sorgen, etwa im Flugzeug- und Fahrzeugbau sowie in der Halbleiterproduktion.

Zu den möglichen längerfristigen Kriegsfolgen zählt die OECD neben dem Druck für höhere Verteidigungsausgaben eine mögliche Fragmentierung der Zahlungssysteme und Veränderungen in der Währungszusammensetzung der Devisenreserven. Der Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-Finanznachrichtensystem könnte die Bemühungen um die Entwicklung von Alternativen beschleunigen. Dies würde die Effizienzgewinne aus einem einzigen globalen System schmälern und möglicherweise die dominierende Rolle des Dollar auf den Finanzmärkten und im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr verringern.

Während die Geldpolitik weiter für gut verankerte Inflationserwartungen sorgen und bei Bedarf Maßnahmen für ein reibungsloses Funktionieren der Finanzmärkte einleiten solle, gehörten die Kosten für die Versorgung der Geflüchteten in Europa zu den dringlichsten Herausforderungen der Politik. Zudem sollten auch die unmittelbaren Auswirkungen der Krise auf Verbraucher und Unternehmen mit befristeten, zeitnahen und zielgerichteten fiskalischen Maßnahmen abgefedert werden, rät die OECD.

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