Gemeinschaftsdiagnose

Ökonomen kritisieren hohe Verunsicherung durch die Politik

Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben in ihrer Gemeinschaftsdiagnose die Prognosen gesenkt und über eine hohe politische Verunsicherung geklagt.

Ökonomen kritisieren hohe Verunsicherung durch die Politik

Ökonomen kritisieren hohe Verunsicherung

Unternehmen und private Haushalte halten ihr Geld zusammen – Skepsis bei staatlichen Eingriffen und Wachstumspaket

Die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben in der neuen Gemeinschaftsdiagnose ihre Prognosen gesenkt und – wie auch schon im Vorjahr – über eine hohe politische Verunsicherung geklagt. Den Impuls durch die Wachstumsinitiative sehen die Ökonomen längst nicht als so stark an wie die Bundesregierung.

ahe Berlin

Eine zunehmende Verunsicherung über die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen führt in Deutschland nach Einschätzung führender Ökonomen zu einer höheren Sparquote der privaten Haushalte und einer Investitionszurückhaltung von Unternehmen. Dabei sei gerade in Zeiten des Strukturwandels für die Planungssicherheit der Haushalte und der Unternehmen ein klarer wirtschaftspolitischer Kompass gefragt, so die Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer neuen Gemeinschaftsdiagnose.

Erwartet wird nun, dass 2024 das zweite Rezessionsjahr in Folge wird. Nachdem die Institute im Frühjahr noch ein leichtes Wachstum prognostiziert hatten, rechnen sie nun mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,1%. Auch die Erholung 2025 wird mit einem Zuwachs von 0,8% deutlich schwächer ausfallen als angenommen. „Die deutsche Wirtschaft tritt seit über zwei Jahren auf der Stelle“, sagte Geraldine Dany-Knedlik, Konjunkturexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), bei der Vorstellung der Prognose in Berlin. Im kommenden Jahr dürfte ihren Worten zufolge eine langsame Erholung einsetzen. Aber an den Trend von vor der Corona-Pandemie werde das deutsche Wirtschaftswachstum auf absehbare Zeit nicht mehr anknüpfen können.

Die von der Bundesregierung im Juli angekündigte Wachstumsinitiative mit ihren 49 Maßnahmen, die einen positiven BIP-Effekt von 0,5% haben soll, beurteilen die Ökonomen zwar grundsätzlich als richtigen Weg. Sie sehen den Impuls des Pakets aber zumindest für 2025 deutlich niedriger, weil sie nicht damit rechnen, dass die ganzen Maßnahmen rechtzeitig umgesetzt werden. Das Wachstumspaket habe bislang auch nicht dafür gesorgt, dass die Unsicherheiten abnähmen.

Die Ökonomen warnten die Bundesregierung, in der aktuell schwierigen Situation etwa die Automobilindustrie mit einer Abwrackprämie unterstützen zu wollen. Dies würde eine Lösung der Probleme in der Branche nur verschieben, betonte Oliver Holtemöller, Konjunkturexperte vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Die Politik dürfe einen Strukturwandel nicht behindern, sondern müsse eher auf eine breite Verbesserung der Rahmenbedingungen für die gesamte Wirtschaft setzen.

Ökonomen-Kritik am mangelnden Grundverständnis der Kapitalmarktunion

Kritik wurde auch am Handeln der Bundesregierung in Sachen Commerzbank laut. Der Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, monierte, dass es offenbar ein mangelndes Grundverständnis davon gebe, was eine Kapitalmarktunion und der EU-Binnenmarkt ausmachten. Unternehmen hätten keinen Pass, betonte er. Fusionen müssten sich daher nach einer unternehmerischen Logik ergeben. Die einzigen Instanzen, die Einwände erheben könnten, seien die Bankenaufsicht oder die Kartellpolitik.

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