Klimapolitik

Ökonomen streiten über Milliardenpläne der Ampel

Die 60-Milliarden-Euro-Rücklage der Bundesregierung für die Energie- und Klimapolitik ist hoch umstritten. Und einzelne Ministerien hegen offenbar noch deutlich teurere Pläne.

Ökonomen streiten über Milliardenpläne der Ampel

rec Frankfurt

Die Pläne der Ampel-Koalition für ein milliardenschweres Sondervermögen jenseits der Schuldenbremse stoßen unter führenden Ökonomen auf ein geteiltes Echo. Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW, Marcel Fratzscher, begrüßte das Vorhaben, 60 Mrd. Euro an nicht genutzten Kreditermächtigungen aus der Coronakrise in einem Energie- und Klimafonds zu parken. Mehrere Kollegen um Ifo-Chef Clemens Fuest und IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths widersprachen beim Wirtschaftsgipfel der Leibniz-Wirtschaftsforschungsinstitute entschieden. Derweil machen in Berlin teure Ausgabenwünsche mehrerer Ministerien die Runde.

Der Nachtragshaushalt für das abgelaufene Jahr sorgt seit Wochen für Zündstoff. Er sieht vor, 60 Mrd. Euro in ein Sondervermögen für künftige Vorhaben in der Energie- und Klimapolitik zu überführen. Kritiker rügen eine Umgehung der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse. Sie war im Zuge der Coronakrise ausgesetzt worden, soll aber ab kommendem Jahr wieder greifen. Die Ampel-Regierung um Finanzminister Christian Lindner (FDP) sieht sich angesichts der Pläne viel Kritik ausgesetzt, etwa von Verfassungsjuristen und dem Bundesrechnungshof. Mehrere Ökonomen um den Düsseldorfer Professor Jens Südekum hielten das Vorhaben in einer Anhörung des Bundestages Anfang Januar hingegen für rechtlich angemessen und gut begründet.

Kooths, Vizechef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), bezweifelte nun den Bedarf für solch massive Investitionen. Deutschland befinde sich in einem selbsttragenden Aufschwung, sagte Kooths mit Blick auf mehr als 200 Mrd. Euro aufgestaute Ersparnis und volle Auftragsbücher der Unternehmen. Es zeichne sich eher eine Situation der Überauslastung ab. „In dieser Situation mehr Spielraum zu schaffen, das passt gesamtwirtschaftlich nicht ins Stabilitätsdenken.“ Fratzscher widersprach. Er verteidigte den Energie- und Klimafonds damit, dass in den vergangenen Jahrzehnten zu geringe Investitionen Deutschlands Problem gewesen seien, nicht etwa zu hohe. Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle, bemängelte, die Bundesregierung verdränge die „Megafrage“, wer die Kosten für den klimaverträglichen Umbau der Wirtschaft tragen werde. Es werde der Eindruck vermittelt, „am Ende der Transformation wird es nur Gewinner geben. Aber es wird auch Verlierer geben.“

Unterdessen kursieren in Berlin teure Ausgabenpläne der einzelnen Ministerien. Nach Angaben aus Regierungskreisen haben für den Zeitraum bis 2026 alle Ministerien zusammen fast 400 Mrd. Euro mehr angemeldet als bisher vorgesehen. Allein für 2022 seien es rund 70 Mrd. Euro, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Das „Handelsblatt“ hatte zuerst über diese Größenordnungen berichtet. Besonders hohe Ausgabenwünsche kommen demnach aus den Ministerien für Wirtschaft, Gesundheit und Verkehr.

Im Umfeld des Finanzministeriums hieß es laut Reuters, die Wünsche seien nicht finanzierbar. Die Vorgaben aus der bisherigen mittelfristigen Finanzplanung würden weiterhin gelten. Außerdem solle die in der Coronavirus-Pandemie ausgesetzte Schuldenbremse ab 2023 wieder eingehalten werden.