Konjunkturtableau

Ökonomen zweifeln an Erholungskraft

In der Corona-Pandemie stemmt sich eine scheinbar robuste Industrie den schwächelnden Dienstleistern entgegen. Sogar eine Erholung wird erwartet. Die Pro­gnoserevisionen zeigen aber, dass die Zuversicht für die Dynamik sinkt.

Ökonomen zweifeln an Erholungskraft

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft scheint gemessen am Datenkranz für Januar alles in allem einen guten Auftakt in das zweite Jahr der Corona-Pandemie erwischt zu haben. Es zeichnet sich allerdings immer deutlicher ab, dass die Erholung nicht ganz so kräftig ausfallen wird wie zuletzt noch erhofft. Dies spiegelt sich auch im aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung wider. Im Vergleich zur Veröffentlichung im vergangenen Monat wurden die Prognosen teils deutlich nach unten geschraubt (vgl. BZ vom 12. Februar).

So wurden die vom Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für das Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung ermittelten Wachstumsprognosen für 2021 von 4,0 auf 3,3% reduziert. „Die noch im Dezember 2020 gehegten Hoffnungen, dass es in diesem Jahr ein exorbitantes Wachstum von 4,5% geben könnte, werden höchstens noch von sehr optimistischen Expertinnen und Experten geteilt“, erklärte ZEW-Experte Michael Schröder. Die höchste abgegebene Prognose für die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt nun bei exakt diesen 4,5% – der Medianprognose vom Dezember (siehe Tabelle). Im Vergleich ist diese Erwartung aber immer noch eher optimistisch: Die Industrieländerorganisation prognostiziert derzeit ebenso wie die Bundesregierung für das laufende Jahr ein Plus von 3,0%, die EU-Kommission rechnet mit +3,2%. Im Coronajahr 2020 war das BIP um 4,9% eingebrochen. Für das Jahr 2022 wurde die Prognose um 0,2 Prozentpunkte auf 3,2% gesenkt.

Auch bei den Inflationserwartungen macht Schröder deutliche Veränderungen aus. Die aktuelle Inflationsrate vom Februar liegt den endgültigen Daten zufolge bei 1,3%. Dies ist ein Anstieg um 0,3 Prozentpunkte gegenüber Januar. „Damit hat die Inflationsrate nach dem Ende der temporären Senkung der Mehrwertsteuersätze zum Jahreswechsel im zweiten Monat in Folge fast wieder das Vorkrisenniveau erreicht“, erklärte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag und bestätigte die vorläufigen Daten. Gegenüber Januar kletterten die Preise um 0,7%. Gemessen am EU-Maßstab HVPI stiegen die Verbraucherpreise um 1,6% zum Vorjahr und um 0,6% zum Vormonat. Insbesondere Heizöl und Kraftstoffe verteuerten sich im Monatsvergleich – neben der neuen CO2-Abgabe dürfte dazu auch der Preisanstieg von Rohöl an den Weltmärkten eine Rolle gespielt haben.

Die Inflationsprognosen im Konjunkturtableau für das laufende Jahr sind jedoch sprunghaft über den von Destatis gemessenen Wert hinaus angestiegen, von 1,3% im Februar auf jetzt 2,1%. Für 2022 liegen sie bei 1,8 (zuvor: 1,4)%.

Auch für das Eurogebiet ergibt sich eine höhere Inflationsprognose. Sie liegt mit 1,5% für 2021 zwar ebenfalls deutlich höher als mit 1,0% im Vormonat aber immer noch klar unterhalb der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von knapp 2%. Entsprechend bleiben die Prognosen für die kurzfristigen Zinsen unverändert im negativen Bereich.

Seit vergangenem Monat weist jedoch die Steigung der Zinsstrukturkurve (Rendite zehnjähriger Anleihen minus Dreimonatszins) Schröder zufolge für das Eurogebiet mit 106 Basispunkten wieder einen signifikanten positiven Wert auf. Noch im Januar betrug dieser Wert lediglich 3 Basispunkte. Die Steigung der Zinsstrukturkurve ist ein mittelfristiger Indikator für das von den Kapitalmärkten erwartete nominale Wirtschaftswachstum. Da derzeit sowohl die mittelfristigen realen Wachstumserwartungen als auch die Inflationserwartungen einen Anstieg gegenüber dem Status quo signalisieren, treiben auch beide Komponenten die langfristigen Zinsen nach oben, erklärt Schröder.

Konjunkturtableau Deutschland
3. Quartal4. QuartalPrognose 2021Prognose 2022
2019202020202020TiefMedianHochTiefMedianHoch
Volkswirtschaftliche Daten
Bruttoinlandsprodukt10,6−4,98,50,32,83,34,52,33,24,8
Privatkonsum1) 1,6−6,110,8−3,32,52,74,03,33,53,6
Staatskonsum12,53,30,6−0,50,51,62,6−0,50,41,3
Anlageinvestitionen12,5−3,13,91,03,13,24,63,54,55,4
Exporte10,9−9,418,04,56,06,211,75,35,65,9
Importe11,9−8,59,03,75,35,312,35,45,86,1
letzter Wert
Verbraucherpreise21,40,51,3 (Februar)1,12,12,50,81,82,2
Arbeitslosenquote35,05,96,3 (Februar)5,65,96,05,05,45,5
Zinsen und Zinsdifferenzen  In 3 Monaten  In 12 Monaten
3-Monats-Geld3−0,36−0,43−0,33−0,6−0,5−0,5−0,6−0,5−0,5
10-jährige Anleihen3−0,14−0,570,73−0,5−0,3−0,2−0,4−0,2−0,2
USA/Eurozone, langfristig34205151211145170190170180190
USA/Eurozone, kurzfristig34269107215707580657580
Eurozone lang/kurz34221410652532152630
Redaktionsschluss: 11. März; Tagesdaten vom 10. März1) real gegen Vorjahr bzw. Vorquartal in %; 2) gegen Vorjahr in %; 3) Werte für 2019 und 2020 sind Jahresdurchschnitte. Letzte Werte der Zinsen und Zinsdifferenzen sind Stände vom Vortag; 4) in Basispunkten