China

Peking stemmt sich gegen Vertrauenskrise

Angesichts jüngster Verwerfungen an den Kapitalmärkten schlägt Chinas Regierung eine neue Tonlage zur Wirtschafts- und Corona-Politik an.

Peking stemmt sich gegen Vertrauenskrise

nh Schanghai

Chinas Staatsapparat hat sich vor dem Hintergrund einer heftigen Aktienbaisse und anderer Verwerfungen an Chinas Finanzmärkten mit ungewöhnlicher Deutlichkeit zu einer offensiveren Konjunkturpolitik, einem finanzmarktfreundlicheren Kurs und einer aktiven Unterstützung des Immobilien- und Technologiesektors bekannt. Am Mittwoch wurden Kommuniqués zu den Inhalten einer Sondersitzung des Finanzstabilitätskomitees des Staatsrates veröffentlicht. Darin verspricht der für Wirtschaftspolitik verantwortliche Vizepremier Liu He, die Konjunktur noch im laufenden ersten Quartal weiter anzuschieben sowie eine Reihe von „finanzmarktfreundlichen“ Initiativen zu ergreifen.

Liu gilt als engster Wirtschaftsberater des chinesischen Präsidenten und übt als Vorsitzender des dem Regierungskabinett zugehörigen Financial Stability and Development Committee (FSDC) eine übergeordnete Finanzwächterrolle aus. Er ist gegenüber der Zentralbank und den Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und Wertpapiermärkte weisungsbefugt. Entsprechend entfaltete das Statement blitzschnelle Wirkung in Chinas Finanzgemeinde und ließ Aktien-Leitindizes in die Höhe schießen. An der Hongkonger Börse etwa sprang der Hang-Seng-Index um 9% an und verbuchte damit den höchsten Tagesgewinn seit der globalen Finanzmarktkrise vor 13 Jahren.

In dem Statement werden zwar keinerlei konkrete Maßnahmen verkündet, aber vertrauensstiftende Botschaften verbreitet, die bei den zuletzt von Chinas Haltung im Ukraine-Krieg, einer neuen Corona-Welle und stetigen Attacken auf Internetunternehmen dramatisch verunsicherten Anlegern auf positive Resonanz zu stoßen scheint. So heißt es, dass die Fortsetzung des wirtschaftlichen Entwicklungskurses Chinas die oberste Priorität der Kommunistischen Partei sei. Gleichzeitig wird eine Kontrolle der Corona-Pandemie im Abgleich mit der Wirtschaftsentwicklung angeregt. Das gilt als erster ernst zu nehmender Hinweis, dass Peking die seit zwei Jahren eisern verteidigte Corona-Nulltoleranzpolitik mit Rücksicht auf die Konjunktur zumindest abzumildern gedenkt.

Weitere Kernbotschaften betreffen die Verschuldungskrise bei Immobilienentwicklern, die Finanzmarktkommunikation mit dem Finanzplatz Hongkong und eine transparentere Tech-Regulierung. Analysten zeigten sich von der Bandbreite der angesprochenen Problemfelder wie auch der ungewohnten Tonlage mit einem offenen Bekenntnis zu einer marktfreundlichen Wirtschaftspolitik überrascht. Dies markiert einen deutlichen verbalen Kontrast zu den zunehmend ideologisch geprägten Kampagnen der Parteiführung zur Verstärkung der Staatskontrolle über die Privatwirtschaft und Infragestellung von Marktmechanismen.

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