Polnisches Verfassungsurteil sorgt für Empörung
ahe Brüssel
Das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, wonach Teile des EU-Rechts nicht mit der heimischen Verfassung vereinbar seien und auch keinen Vorrang hätten, schlägt in der EU hohe Wellen. Aus mehreren anderen Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament kam scharfe Kritik. „Unsere Verträge sind sehr klar“, betonte auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Das EU-Recht habe Vorrang vor nationalem Recht. „Wir werden von allen Befugnissen, die uns die Verträge verleihen, Gebrauch machen, um diesem Grundsatz Geltung zu verschaffen.“
Konkrete nächste Schritte nannte von der Leyen zunächst nicht. Oberste Priorität hat ihren Worten zufolge aber, die Rechte der polnischen Bürger zu schützen. EU-Bürger und Unternehmen in Polen benötigten zudem die Rechtssicherheit, dass die EU-Regeln gälten.
In mehreren Mitgliedstaaten wurde vor einem „Polexit“ gewarnt. Frankreichs Europaminister Clément Beaune sagte, es bestehe jetzt de facto die Gefahr eines Austritts aus der Europäischen Union. Und auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte: „Polen spielt mit dem Feuer.“ Der Vorrang des europäischen Rechts sei wesentlich für die Integration Europas, so Asselborn. „Wenn dieses Prinzip gebrochen wird, wird das Europa, wie wir es kennen und wie es mit den Römischen Verträgen aufgebaut wurde, aufhören zu existieren.“
Bundesaußenminister Heiko Maas forderte Polen ebenfalls auf, EU-Recht einzuhalten. „Wenn ein Land sich politisch dafür entscheidet, Teil der EU zu sein, muss es auch dafür Sorge tragen, die vereinbarten Regeln voll und ganz umzusetzen“, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Führende EU-Abgeordnete riefen die EU-Kommission dazu auf, jetzt endlich den neuen Rechtsstaatsmechanismus zu aktivieren und Polen Mittel zu kürzen. Es sei richtig, dass Brüssel bereits die Auszahlung der Gelder aus dem Wiederaufbaufonds an Polen gestoppt habe, so der Grüne Sven Giegold. „Wer EU-Recht bricht, kann nicht auf EU-Gelder zählen.“ Lediglich die AfD stellte sich auf die polnische Seite. Das Land wehre sich „gegen den Souveränitätsraub der EU“, so Parteichef Jörg Meuthen.
Aus Warschau stellte Regierungschef Mateusz Morawiecki auf Facebook unterdessen klar: „Polens Platz ist und bleibt in der europäischen Völkerfamilie.“ Das polnische Verfassungsrecht sei aber anderen Rechtsquellen überlegen. Das hätten in den vergangenen Jahren auch die Verfassungsgerichte anderer Mitgliedstaaten bestätigt. „Wir haben die gleichen Rechte wie andere Länder“, schrieb Morawiecki. Der Chef der regierenden PiS-Partei, Jaroslaw Kaczynski, wurde noch deutlicher: „Die Europäische Union hat hier nichts zu sagen“, betonte er.